Düsseldorf - Konzert in der Johanneskirche New Fall Festival: „Grandbrothers“ — die wahren Flügelstürmer

Erol Sarp und Lukas Vogel verkabeln ihren Konzertflügel mit elektromechanischen Hämmerchen und erzeugen so extravagante Klänge. Am Donnerstag gastiert das Duo in der Johanneskirche.

Foto: Grandbrothers

Düsseldorf. Der eine, Erol Sarp, sitzt am Klavier, der andere, Lukas Vogel, am Schaltpult mit Laptop. Sie erzählen und machen Witze, wirken wie Brüder. Gemeinsam sind die „Grandbrothers“, die sich beim Studium an der Robert-Schumann-Hochschule kennengelernt haben — ein starkes Team. Der Deutsch-Türke Erol Sarp und der gebürtige Schweizer Lukas Vogel. Zumindest in Sachen neuer Popmusik haben sich die zwei mit ihrem präpariertem Klavier in der internationalen Pop-Szene durchgesetzt, spielen 40 Konzerte pro Jahr und treten mal wieder in Düsseldorf auf: am Donnerstag, 27. Oktober, 18 Uhr, in der Johanneskirche, im Rahmen des New Fall Festivals.

Das Pop-Festival, das es seit 2011 gibt, lockt Musikfans an mehrere Konzertplätze in Düsseldorf, danach auch nach Stuttgart. Die WZ sprach mit den beiden Musikern während ihrer Proben im Tonstudio.

Herr Sarp und Herr Vogel, was ist das Besondere am New-Fall-Festival?

Lukas Vogel: Am meisten freut uns, dass wir zum zweiten Mal eingeladen wurden, nachdem wir im Jahr 2013 schon im Rahmen der NRW-Nacht mit Roosevelt und Vimes dort spielen durften. Düsseldorf wird für uns immer ein besonderer Ort bleiben, weil unser Projekt hier entstanden ist und weil wir hier viele Freunde haben, die wir immer mal wieder auf den Konzerten sehen. Ansonsten besticht das Festival wie immer durch ein starkes Line-Up.

Was bedeutet für Sie als Musiker die Johanneskirche?

Erol Sarp: Der Ort wurde uns zugewiesen, aber es ist immer spannend, in verschiedenen Locations aufzutreten. Die letzten Konzerte waren zum Beispiel in Clubs in Dublin und London, in denen die Atmosphäre komplett anders war. Das Publikum stand, es war eng und schwitzig. Kirchen sind immer etwas Besonderes, weil sie etwas Andächtiges haben. Das wirkt sich auf uns und auf die Besucher und somit die Stimmung aus.

Vogel: Auch aus akustischen Gesichtspunkten ist das eine Herausforderung, die wir gerne annehmen.

Welche Stücke erwarten das Publikum?

Vogel: Wir werden Stücke von unserem Debütalbum Dilation (2015, Film Recordings) und neue, bisher unveröffentlichte Stücke spielen.

Welche sind neue Stücke, die Sie noch nicht 2014 beim Düsseldorf Festival gespielt haben?

Sarp: Wir waren kürzlich im Studio und haben unser zweites Album aufgenommen. Die Stücke davon gibt es auch noch nirgendwo zu hören oder zu kaufen — wir haben einige der Stücke seit der Tour im Februar live ausprobiert und werden sie auch in der Johanneskirche spielen. Wenn alles klappt, spielen wir vielleicht auch ein oder zwei Stücke, die wir bisher noch nicht live gespielt haben — eine Premiere, wenn man so will.

Was sind die Kennzeichen Ihrer Musik?

Vogel: Der Flügel spielt bei uns nach wie vor die zentrale Rolle. Alle Töne und Klänge, die wir erzeugen, haben ihren Ursprung im Klavier. Das heißt, es gibt keine Synthesizer oder andere Instrumente. Mittlerweile nutzen wir noch mehr Effekte, so dass es für Außenstehende noch schwerer zu begreifen ist, dass wirklich alles aus dem Flügel kommt. Aber wir können versichern: So ist es nach wie vor. Neben den Effekten gibt es auch noch viele kleine Hämmer, die wir nutzen, um auf die Saiten oder den Rahmen des Flügels zu schlagen, und dadurch cembalo-ähnliche oder perkussive Klänge zu erzeugen, durch die dann die Beats entstehen.

Wie teilen Sie sich die Arbeit?

Sarp: Ich sitze am Flügel, Lukas steht an den Effektgeräten und Laptop und steuert somit die Hämmer und wir spielen das Klavier sozusagen vierhändig. Das heißt aber nicht, dass wir jeweils unsere eigenen Hoheitsgebiete haben — im Gegenteil. Gerade beim Komponieren tauschen wir uns aus, und Lukas sagt mir zum Beispiel, dass er eine Akkordfolge gerne anders hätte, und ich kann genau so sagen, dass mir ein Effekt nicht gefällt. Dann finden wir Kompromisse.

Wie kamen Sie auf das präparierte Klavier?

Vogel: Irgendwann kam die Idee auf, ein Projekt zu starten, das sich mit dem Flügel und automatisierten Hämmern auseinandersetzt. Ich wollte auch einwirken auf den Flügel. Nach und nach hat sich das Projekt dann zu dem entwickelt, was es jetzt ist.

Was bedeutet John Cage für Sie?

Sarp: John Cage ist eine wichtige Inspiration. Er war einer der ersten, der das Klavier anders bespielt hat — beispielsweise durch Präparation mit Radiergummis, Papier oder Nägeln in den Saiten. Mit dieser Art der Präparation arbeiten wir zwar nicht, aber wir haben uns von ihm inspirieren lassen.

Was bedeuten Club-Auftritte für Sie?

Sarp: Im Club herrscht immer eine besondere Atmosphäre, das Publikum kann sich frei bewegen, ist sehr nah dran. Zudem ist es meist warm und eng. Wir freuen uns immer auf die etwas tanzbareren oder lauteren Stücke, weil diese dort natürlich am besten ankommen.

Vogel: So verhält es sich auch mit unserer Vorliebe zur Musik: Wir sind große Fans von elektronischer Musik oder Hip-Hop, aber eben auch von klassischer Musik oder Jazz.

Kritiker loben, dass Sie zwar experimentelle, aber auch hörbare Klänge produzieren. Warum haben Sie sich so entschieden?

Vogel: Im Endeffekt war es keine wirkliche Entscheidung, sondern es war eher eine Entwicklung. Nachdem wir unsere Idee technisch umgesetzt hatten, haben wir sehr viel ausprobiert. Und mit der Zeit hat sich dann unsere Soundästhetik herausgeschält.

Welche Entwicklungs-Möglichkeiten sehen Sie in Ihrer Musik?

Sarp: Wir können uns sehr gut vorstellen, noch visueller zu arbeiten und denken an Projekte im Film- und Theater-Segment, aber auch an Projekte mit bildenden Künstlern.