Orchester sucht Chef mit Charisma

Düsseldorfer Symphoniker brauchen Dirigenten mit Charisma.

Düsseldorf. Die Düsseldorfer Symphoniker sind ein Orchester, das zur Hochform auflaufen kann, wenn der richtige Dirigent am Pult steht. Nachdem der Generalmusikdirektor (GMD) Andrey Boreyko gekündigt hat, liegt darin eine Chance, dass das Konzertleben beflügelt wird.

Die Zeit wird knapp: Wenn Boreyko im Sommer 2014 geht, muss ein neuer GMD für sechs Konzertprogramme mit je drei Aufführungen gefunden sein. Sonst müsste das Orchester zunächst mit Gastdirigenten arbeiten. Womöglich nicht das größte Übel, böte es doch die Möglichkeit, unter den Gästen den perfekten neuen Chef zu finden.

Die Symphoniker brauchen einen charismatischen Dirigenten, der sie musikalisch voranbringt. Im Opernhaus gelingt dies bereits mit GMD Axel Kober — doch er dirigiert pro Jahr nur ein Tonhallen-Konzert. Als Gäste standen solche Persönlichkeiten bereits am Pult: Christoph Eschenbach und Fabio Luisi. Es war ein Genuss, wie motiviert die Musiker mit ihnen arbeiteten; das Klang-Ergebnis war herausragend.

Kein Wunder, dass die beiden Stars auf der Wunschliste des Orchesters stehen. Doch der in den USA vielbeschäftigte Eschenbach gab den Symphonikern bereits einen Korb, auch wenn er deren musikalische Qualitäten im Interview mit uns lobte. Auch Luisi dürfte angesichts internationaler Verpflichtungen vergeben sein.

Ein Blick ins britische Birmingham zeigt, wie sich die richtige Dirigenten-Wahl auswirken kann. In den 90er Jahren setzte die dortige Intendanz auf den damals eher unbekannten Simon Rattle, der sich und das Orchester an die Spitze brachte. 2008 machte der Lette Andris Nelsons mit dem City of Birmingham Orchestra international Furore.

Michael Becker, Intendant der Düsseldorfer Tonhalle, favorisierte dem Vernehmen nach lange den Schweizer Mario Venzago. Der stieß bei einem Teil des Orchesters aber auf starke künstlerisch begründete Vorbehalte, und hat mittlerweile auch abgesagt.

Dem guten Ton dient es auch, wenn der Dirigent nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich passt. Mit Boreykos Vorgänger John Fiore, heute Chefdirigent an der Oper Oslo, gab es einen GMD zum Anfassen, der jederzeit zu Gesprächen mit den Musikern bereit war. Boreyko ist dagegen reserviert, bleibt selbst auf Gastspielreisen für sich. So leistet er als Dirigent professionelle Arbeit, wirkt aber wie ein Dauer-Gastdirigent.