Museum Kunstpalast Der Aufstieg des Alain Bieber
Düsseldorf · Nach anfänglichen Schwierigkeiten rückt der Chef des NRW-Forums in das Führungsteam des Düsseldorfer Kunstpalastes auf.
Als Alain Bieber 2015 die Leitung des NRW-Forums übernahm, wurde er nach dem Abgang von Werner Lippert sehnsüchtig erwartet. Aber er hatte noch nie ein Haus geführt, kannte sich in der Präsentation von Ausstellungen nicht aus und konnte seine interessanten Themen nicht immer klar definieren. Von Kritik war er derart enttäuscht, dass er bereit war, die Brocken hinzuschmeißen. Das war jedoch nicht im Sinn des Oberbürgermeisters Thomas Geisel, der ihn berufen hatte und unbedingt halten wollte. Auch die Mehrheit im Aufsichtsrat, Kulturausschuss und Fotobeirat plädierte für seinen Verbleib. Nun ist Bieber nicht nur geblieben, sondern er steigt sogar auf.
Wie kam es überhaupt zu den Turbulenzen? Und was hat sich seitdem geändert? Nach Auskunft des Hauptgeschäftsführers Harry Schmitz, Kunstpalast, hatte Bieber einen Job, bei dem er „150 Prozent Leistung“ erbrachte. Das heißt, er war in vielen Dingen völlig überfordert, denn das Team im NRW-Forum entpuppte sich als viel zu klein für große Sprünge. So begab sich Bieber 2020 freiwillig und eigenständig unter das Dach des Kunstpalastes. Daraufhin verglich Kunstpalast-Chef Felix Krämer die Funktion des NRW-Forums mit der „wilden, kleinen Schwester“ des traditionsreichen Instituts.
Zwei Formate gaben Ausschlag
für seine engere Einbindung
Doch nun ist der Medienspezialist Bieber nicht nur Leiter des NRW-Forums, sondern auch Abteilungsleiter für zeitbasierte Medien im Kunstpalast. Er verantwortet zugleich die 50 Videoarbeiten, die bislang vom Abteilungsleiter der Moderne betreut wurden. Er ist damit ins Führungsteam des Kunstpalasts integriert und darf auch Ankäufe tätigen. „Es ist eine tolle Herausforderung, als Sammlungsleiter einen eigenen Bereich für all die neuen Formate zu verantworten. Ausstellungen zu machen ist ein Tagesgeschäft. Aber jetzt geht es auch darum, an das digitale Erbe im Museum zu denken“, sagt er.
Zwei Formate gaben den Ausschlag für seine engere Einbindung in den „Palast“. Mit der AR-Biennale beweist er, wie Virtual Reality in der Gegenwart angekommen ist. Jedermann kann auf einer Parkbank beobachten, wie eine blaue Blase durch einen Algorithmus gesteuert wird. Bei der Weihnachtsausstellung „Willkommen im Paradies“ genossen die Besucher multisensorische Erfahrungen aus der Augmented Reality und luden sie sich auf die App herunter. Bieber setzt dabei kaum auf das klassische Publikum, wenn er erklärt: „Die Gäste meiner Ausstellungen kommen aus Technologie- und Start-up-Firmen, aus der Kreativwirtschaft und der Werbebranche.“ Und die Senioren? Hierzu Bieber: „Wir haben das ältere Publikum durch die AR-Biennale geführt und es lernte beispielsweise, wie man sich zu Impfterminen selbst anmelden kann.“ Biebers Welt liegt außerhalb dessen, was die meisten kennen. Es ist eine andere Welt, die viele herkömmliche Besucher alt ausschauen lässt. Das ist sein Pfund. Und seine Stärke. Er holt die Jugend ins Haus, bietet ihnen Seminare in Zusammenarbeit mit der Codingschule Düsseldorf an, wo selbst Zehnjährige das kleine Einmaleins der digitalen Kunst lernen. Das Gros der Besucher weiß mit Future Tech Skills, Netzkunst, Software Art, Augmented Reality, Virtual Reality, GIFs und NFTs wenig anzufangen und lobt höchstens die Effekte. Hier steckt eine Bildungsaufgabe, für die Bieber Mitstreiter braucht.
Bieber arbeitet mit
der Hochschule zusammen
Immerhin bietet das Imai im hintersten Raum des NRW-Forums nicht nur experimentelle Videos an, sondern erklärt auch die präsentierten Arbeiten. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Kunstakademie als Ausbildungsort für die Neuen Medien weitgehend ausfällt. Wer dort rendert, hat es sich in der Regel selbst beigebracht. Bieber nennt gern als Devise „Think global, act local”. Er arbeitet mit der Hochschule Düsseldorf zusammen. Aber selbst das Duo Banz & Bowinkel kann er nicht mehr als lokale Größen anführen, seit das kreative Paar sein Quartier in Berlin genommen hat. Biebers mediale Abteilung hat dasselbe Dilemma wie das Hetjens-Museum. Beide Institute können sich kaum auf Düsseldorfer Künstler stützen. Thomas Schütte muss nach Köln fahren, wenn er in Keramik und nicht in Bronze arbeiten will, denn hier gibt es keine großen Öfen und keine Fachleute, um sie zu bedienen. Eine Basis zu schaffen, um bestimmte Medien anzubieten, ist mühsam und kostet Geld. Voller Stolz lobt der Kunstpalast in seiner Erklärung zwei Ankäufe der Künstler Banz & Bowinkel. Das hört sich toll an, aber der Ankaufsetat von 350 000 Euro wird mit Biebers neuer Abteilung um keinen Jota erhöht. Beide Arbeiten wurden über ein Geschenk von Heinz Mack erworben. Bieber gibt eine diplomatische Antwort zu potenziellen Ankäufen im Haus: „Wenn man früh bei jungen Digitalkünstlern einsteigt, liegen die Arbeiten um die 5000 bis 10 000 Euro.“ Diese Summen stimmen natürlich nicht. Nach Auskunft der Galeristin Meike Denker war die VR-Arbeit „Palo Alto“ von Banz & Bowinkel selbst mit Museumsrabatt deutlich teurer, zumal das gesamte Equipment erst einmal angeschafft werden musste. Bieber freut sich dennoch: „Das NRW-Forum hat eigene Positionen, eigene Programme und will noch frecher, jünger, wilder und zeitgenössischer als der Kunstpalast sein.“ Beweisen will er das schon ab Februar mit „kritischem Design“. Zugleich sichert sich Bieber ab, denn es bleibt bei einer Arbeitsleistung von nur 80 Prozent in Düsseldorf. Er sagt, womit er sich die übrige Zeit vertreibt: „Ich habe mit Freunden in Berlin Rosy DX, ein Studio für Digitalität, gegründet. Hier arbeiten wir viel an freien Projekten, immer an der Schnittstelle zu Kunst und Technologie. Mir wird sicher nicht langweilig. Insgesamt bin ich sehr viel glücklicher und ausgeglichener.“