Pro und Contra: Darf eine Kunstausstellung Spielplatz sein?
"Ja. Die Schau „Move“ in der Kunstsammlung wurde ganz bewusst so konzipiert, dass sie zum Mitmachen und Spaßhaben animiert", sagt Sema Kouschkerian. Um Kinder und Jugendliche für Ausstellungen zu interessieren, lassen sich Museen alles Mögliche einfallen: Sie stellen Pädagogen ein, organisieren Malkurse, gestatten Studenten, ihre eigene Nacht der Museen zu gestalten.
Diese Angebote gefallen dem jungen Publikum deswegen so gut, weil sie sich in seiner Welt abspielen. Der sonntägliche Besuch einer Grafik-Ausstellung mit Mama und Papa macht deswegen jedoch nicht mehr Spaß als sonst.
Jugendliche und Kinder haben andere Ansprüche an einen Museumsbesuch als Erwachsene. Sie verspüren keine Ehrfurcht, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben vor einem Michelangelo stehen. Können die hochpolitische Botschaft eines Joseph Beuys gar nicht verstehen, weil sie die kunst- und gesellschaftshistorische Umgebung nicht kennen. Kunst soll Spaß machen, das ist ihr legitimes Begehr. Vor diesem Hintergrund ist die Ausstellung „Move“ ein fast genialer Beitrag zur Sicherung des Publikumsnachwuchses. Denn hier wurde nicht extra ein Eventcamp für Kinder eingerichtet, sondern eine Schau mit Künstlern organisiert, welche die Mitwirkung der Besucher als wesentlichen Bestandteil ihres Konzeptes proklamieren. Die Gäste tummeln sich auf einem Abenteuerspielplatz, der eine gewollte Inszenierung ist. Mit fehlendem Respekt gegenüber der Kunst hat das nichts zu tun.
"Nein. In einer Ausstellung geht es immer noch um Kunst und sie sollte auch im Zentrum des Interesses stehen. Spaß kann man auch anderswo haben", sagt Helga Meister.
Früher standen die Museumsgäste in der Kunstsammlung ehrfürchtig vor dem großen Gemälde von Jackson Pollock, das der US-amerikanische Aktionsmaler stehend und liegend gemalt hatte. Doch jetzt, in der Ausstellung „Move“, sind sie nur Auge und Ohr für die lustig kreischende Gesellschaft an den Turnringen und Holzbrettern. Sofern sie überhaupt einen Blick auf das Gemälde an der Wand werfen, tun sie es nicht in kontemplativer Haltung, sondern schaukelnd und wippend. Der Besuch am Grabbeplatz fördert nicht mehr die Beschäftigung mit Kunst, sondern er macht sie zum Spaßkult.
Dass diese Werke einst eine Revolte gegen die traditionelle Museumskunst waren, registriert kaum jemand. Ein Besucher sagt: „Beim Schaukeln fällt der Blick doch irgendwann auch auf das Bild von Pollock.“
Die „Kunst der Bewegung“, wie sich „Move“ nennt, gilt anscheinend in erster Linie dem Sport. Wer hat nach Schaukeln, Wippen und Hopsen noch (kulturell ambitioniertes) Interesse, sich durch den schmalen „Grünen Licht-Korridor“ von Bruce Nauman zu zwängen? Auch der darf betreten werden. Aber kaum jemand würdigt ihn eines Blickes, denn Beklemmungsgefühle will die Spaßgesellschaft nicht ausprobieren. Und in den Amerika-Saal im ersten Stock verirrt sich schon gar niemand.