Serdar Somuncu: Prophet der Provokation
Als eine Messe will Serdar Somuncu sein neues Programm „Hassprediger“ verstanden wissen. Im Zakk zeigte er, dass ihm nichts heilig ist.
Düsseldorf. Nein, Serdar Somuncu enttäuscht seine Fans nicht mit seinem neuen Programm: Er beleidigt Frauen auf das Übelste, kreischt wie ein Wahnsinniger "Ausländer raus" und schiebt einen judenfeindlichen Witz hinterher.
Im Stakkato kommt das böse F-Wort aus seinem Mund. Der Mann auf der Bühne lässt sich - die Hand im Schritt - hemmungslos aus über Fäkalien wie Genitalien. Und das alles innerhalb von fünf Minuten - innerhalb der ersten fünf Minuten, wohlgemerkt.
"Hassprediger - Ein demagogischer Blindtest" lautet das aktuelle Motto zu Somuncus Auftritten. Reden "von Bin Laden bis Roland Koch" stelle er, so heißt es, ausschnittsweise gegenüber, ohne zu verraten, wen er da gerade zitiere. So steht es in einer Vorankündigung für den vergangenen Mittwochabend im Düsseldorfer Zakk.
Doch Somuncu wäre nicht Somuncu, wenn er sich an solche Vorgaben hielte - und seien es seine eigenen. "Einen Abend ohne Logik oder Struktur" verspricht er stattdessen den Zuschauern im ausverkauften Saal. "Ich rede einfach, ich habe keine Autoren."
Nach Comedian, Theatermann und Philosoph wolle er nun als Prophet wahrgenommen werden. Seine Religionsgemeinschaft: "die latenten Hassisten". Mit hochrotem Glatzkopf spuckt der 40-Jährige die Silben über die Bühne und zieht Grimassen wie der garstigste Mönch aus "Der Name der Rose". Er sieht den Abend als "Messe", gehalten in einem "rechtsfreien Raum".
Einen tabufreien Raum schafft der ehemalige "Mein Kampf"-Vorleser in den anderthalb Stunden auf jeden Fall. Das ist das einzige Ziel und das Geheimnis seines Erfolgs. Im Rampenlicht ist ihm nichts, aber auch gar nichts heilig. Irgendwann steht er mitten im Publikum und fragt einen Rollstuhlfahrer nach dessen Lieblingswitz über Behinderte. "Jeder hat ein Recht auf Diskriminierung!"
Politisch korrekt? Was ist das? Obama wird beleidigt, Bush dagegen war seiner Meinung nach "cool". Der in Istanbul geborene Neusser (natürlich wird das Schützenfest nicht verschont) nimmt sich auch Kollegen vor, nennt den 50.Geburtstag von Hella von Sinnen in einem Atemzug mit "70 Jahre Kriegsbeginn".
Das Publikum ist von seinen Ausbrüchen begeistert, nur zwei Zuschauer verlassen mitten in der Vorstellung den Saal. "Habe ich einen Satz gesagt, der euch beleidigt hätte", ruft ihnen der Prophet der Provokation hinterher. "Ok, habe ich", gibt er dann selbst zu. "Aber habe ich alles auch so gemeint?" Wohl ebenso wenig wie seine Ankündigung, nach diesem Jahr mit dem Bühnen-Leben aufzuhören.