Süffige Komödie mit galligen Pointen im Theater an der Kö
Gekonnte Unterhaltung auf Kabarett-Niveau bietet René Heinersdorff mit der Uraufführung von „Fremde Verwandte“.
Düsseldorf. Tja, da hat René Heinersdorff mal wieder zugelangt. Als Schauspieler, Regisseur und Theaterprinzipal ist er erfolgreich. Im Jubiläumsjahr seines Theaters an der Kö beweist er zudem, dass er auch als Autor ein Meister süffiger Unterhaltung auf Kabarett-Niveau sein kann. Denn so viel Spitzen, giftgetränkte Pfeile und Pointen — wie sich die sechs Mimen in seinem neuen Stück „Fremde Verwandte“ zuspielen — erlebt man nur selten an einem Abend.
Ob er den beiden langgedienten Stars auf Bühnenbrettern und auf der Mattscheibe, Marianne Rogée und Jochen Busse, die Rollen auf den Leib geschrieben hat? Möglich wär’s! Streckenweise sieht’s jedenfalls so aus, als spielen die zwei (und auch andere) ein Stück aus ihrem Leben. Beide haben, wie man weiß, im Privatleben wesentlich jüngere Partner.
So nun auch auf der Bühne. Busse, alias Grandseigneur Heinz (ein erfolgreicher Architekt, der im Medienhafen einen Turm gebaut hat), wird mit über 70 noch einmal Vater. Seine dritte Frau Nicole (Jeannine Burch), die jünger ist als sein erster Sohn, schickt ihren Gatten in den Kindergarten, wo er mit der Kita-Chefin Sonja flirtet. Derweil stolziert die gelangweilte, luxusverwöhnte und überdrüssige Nicole mit Hermes-Tasche zu ihrem Therapeuten und räkelt sich auf dessen Sofa.
Diese Konstellation allein birgt schon genügend Sprengstoff. Damit nicht genug. Nicoles Mutter, wie man später erfährt, ist Marita — gespielt von Marianne Rogée, 24 Jahre lang „Lindenstraßen“-Diva. Hier als fesche, selbstbewusste und spöttische Seniorin, die sich mit Mitte 70 von ihrem 20 Jahre jüngeren Lover Pascal trennen will, um mit einem noch jüngeren Mann zusammenzuleben. Wer das ist? Ausgerechnet der Therapeut Kai (Thomas Gimbel).
All das erfährt der Zuschauer aber erst im Laufe der kurzweiligen Komödie. Denn manch mutmaßlich Fremder entlarvt sich plötzlich als Verwandter. Geschickt gebaut ist dieses Spiel mit (Halb-) Wahrheiten, die scheibchenweise kredenzt werden und reichlich skurrile Situationen und sarkastische Wortgefechte bescheren — über das Älterwerden und die Partnersuche.
Die lässig spitzzüngige Marianne Rogée schont sich dabei genauso wenig wie ihren Gegenpart Jochen Busse, der routiniert und gelassen auf scharfe Pointen eine noch schärfere, galligere draufsetzt. Selbstironie inklusive.
Ähnlichkeiten mit realen Figuren? Rein zufällig. Dass der Autor dabei sein eigenes Privatleben nicht schont, beweist in einigen Allüren Jeannine Burch — immerhin die erste Frau Heinersdorffs. Ebenso überzeugt Heinersdorffs Machart: Wie ein Puzzle setzen sich die Szenen (kurz geschnitten wie im Film) erst am Ende zum Tableau einer kunterbunten Patchwork-Familie zusammen. Fehlt nur noch das obligatorische Familientreffen mit anschließendem Fototermin. Unterstützt wird das noch durch die temporeiche Inszenierung von Horst Johanning: Vor der Skyline von Düsseldorf schießen die Akteure ihre Pfeile durch die Luft und bringen selbst Boulevard-Muffel zum herzhaften Lachen.