Herr Schulz, welche Stimmung nehmen Sie
am Theater wahr?
Interview mit Generalintendant Wilfried Schulz „Unser Publikum ist sehr, sehr vernünftig“
Interview | Düsseldorf · Solange Schulen offen sind, sollte nach den Worten des Schauspielhaus-Intendanten auch das Theaterangebot für Schüler bleiben.
Wilfried Schulz: Durch Corona ist die Empfindlichkeit der Leute generell viel größer geworden – was man niemandem vorwerfen kann. Und wie alle anderen Menschen verfolge auch ich permanent die Nachrichten und bin ein genauso abwartender und abwägender Mensch wie alle anderen in dieser Zeit.
Und welche Atmosphäre herrscht im Schauspielhaus?
Schulz: Auch in unserem Haus ist die Unruhe über die rasant steigenden Inzidenzwerte natürlich groß.
Kann angesichts der pandemischen Situation im Moment denn überhaupt noch geprobt werden?
Schulz: Natürlich befolgen wir alle gesetzlichen Verordnungen und haben unser Hygienekonzept. Das heißt unter anderem: 2G für das Publikum und 3G für alle Beschäftigten.
Homeoffice ist bei Ihnen wahrscheinlich kein großes Thema, oder?
Schulz: Auch hier halten wir uns an die Vorgaben und bieten wenn möglich mobiles Office an. Wobei 90 Prozent aller Arbeit, die wir machen, viel mit Präsenz und auch mit handwerklichen Dingen zu tun hat. Das meiste ist also nicht in mobiles Arbeiten umwandelbar. Eigentlich verhalten wir uns wie jeder vernünftige Betrieb hierzulande: Wir arbeiten weiter und tun dies so achtsam wie möglich und auch vorgegeben.
Wie nehmen Sie die
Stimmungslage im
Ensemble wahr?
Schulz: Man merkt schon, dass die Anstrengung, durch die die Leute während der gesamten Corona-Zeit gehen mussten, Spuren hinterlassen haben. Es gibt viele herbstliche Erkrankungen, die aber Gott sei dank nichts mit Corona zu tun haben. Auf der einen Seite gibt es eine große Dankbarkeit dafür, dass der Betrieb nach wie vor aufrechterhalten wird und dass zu 100 Prozent die Gehälter weiter gezahlt werden können. Auf der anderen Seite gibt es durchaus Fragen danach, ob wir nicht besser den Betrieb ganz zumachen sollten. So unterschiedlich, wie die Debatten gesamtgesellschaftlich geführt werden, so unterschiedlich sind die Meinungen auch bei uns.
Wie reagiert denn das Publikum, etwa auf die Maßnahme direkt am Eingang, dass der Impfstatus kontrolliert wird?
Schulz: Natürlich gibt es einzelne Proteste, und auch den Einzelfall, dass jemand seinen Ausweis vergessen hat und nicht ins Theater kann. Aber auch da spalten sich die Meinungen der Menschen. Viele Leute sagen, dass es gut ist, wie wir das machen. Und viele wollen es eigentlich genauso haben, um den Theaterbesuch genießen zu können. Auch während der Aufführung halten alle die Masken auf, wir müssen also niemanden mehr darauf ansprechen. Wir haben einfach das Gefühl, dass das Publikum, dass im Moment ins Schauspiel geht, sehr, sehr vernünftig ist und eine Sehnsucht nach Kultur verspürt. Wir hatten gerade bei den Premieren noch nie so viele Standing Ovation gehabt wie in dieser Zeit. Aber es gibt natürlich auch die Leute, die überhaupt nicht mehr kommen.
Mit der derzeitigen Auslastung sind Sie zufrieden?
Schulz: Unsere Auslastung ist nicht schlecht, würde ich sagen, aber niemand guckt im Moment wirklich auf die Zahlen. Wir liegen derzeit im Schnitt bei etwa 60 Prozent Auslastung, Das finde ich okay. Das hat auch den Effekt, dass man im Saal nicht so ganz eng beieinander sitzt. Normalerweise liegen wir bei gut 80 Prozent. Aber ich werde keine heftige Werbekampagne starten, um die Auslastung jetzt in die Höhe zu treiben, auch wenn unsere Belüftungsanlage auf dem höchsten Level ist, den man sich nur vorstellen kann. Ich halte es insgesamt im Moment für keine gute, aber doch für eine vertretbare Situation.
Wird dennoch auch an eine Schließung oder eine Unterbrechung des Spielbetriebs gedacht?
Schulz: Wir haben die Entscheidung getroffen, dass wir nach den Regeln, die uns vorgegeben sind, weiter spielen. Wir finden das auch richtig, dieses Angebot zu machen. Ich bin aber persönlich der Meinung, dass jeder für sich die Entscheidung treffen muss und sollte, ob er in ein Theater, ein Kaufhaus oder in ein Fußballstadion gehen möchte. Das entscheidet jeder für sich anders. Ein Teil von Eigenverantwortung ist immer dabei, weil niemand in der Gesellschaft derzeit Garantien übernehmen kann. Wir freuen uns über jede Besucherin und jeden Besucher.
Mit dem Weihnachtsstück „A Christmas Carol“ kommt viel junges, also auch ungeimpftes Publikum ins Theater. Das ist doch dann eine noch schwierigere Situation.
Schulz: Zunächst sind wir wahnsinnig froh darüber, dass die Nachfrage der Schulen so groß ist und alle Vormittagsvorstellungen inzwischen ausverkauft sind. Es geht ja nicht nur darum, den Mathe-Unterricht nachzuholen, der ausgefallen ist. An den Schulen existiert ein großes Bewusstsein dafür, wie wichtig auch sinnstiftende Abenteuer und Veranstaltungen sind. Es geht darum, auch kommunikativ wieder etwas zu erleben. Ich finde, dass die Kinder ein solches soziales Angebot haben müssen, und ich finde es toll, dass die Schulen es so unterstützen. Wenn man sagt, dass die Schulen so lange wie nur eben möglich offen bleiben sollen, dann trete ich auch dafür ein, dass das Theaterangebot für Schüler so lange wie eben möglich erhalten bleiben sollte
Und ein Blick in
die Zukunft …?
Schulz: Wir planen einfach immer weiter. Wobei wir keinen Plan B und keinen Plan C mehr machen. Und wenn dann eine Veränderung zum Schlechten eintritt, dann findet etwas eben nicht statt. Aber durch diese ständigen Verschiebungen werden alle nur noch wahnsinnig. Also, wir planen Theater immer unter den gegenwärtigen Bedingungen. Und wenn es nicht geht, reagieren wir flexibel.