Düsseldorf Theaterleute fragen: Wem gehört die Stadt?
Beim Asphalt Festival führen ab 10. Juli Performer durch die Stadt. Sie treiben Visionen modernen Lebens in Höhen mit Schwindelgefahr.
Düsseldorf. Le Flair, Ciel et Terre und Pandion d’Or — so klingt der zu Stein gewordene Traum vom Schöner-Wohnen; modern, hell, unbeschwert das zur Eigentumswohnung versprochene Gefühl. In Derendorf ist das dazugehörige Quartier Central in wenigen Jahren wie aus dem Nichts emporgewachsen. Jetzt wird es zu einer Bühne für das Asphalt Festival, das vom 8. bis 17. Juli besondere Orte künstlerisch in Szene setzt.
Avaler — so nennen Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen und die Düsseldorfer Performer-Formation per.Vers ihre Vision vom modernen Leben, die sie bei einer Tour durch die Stadt in schwindelerregende Höhen treiben wollen. Avaler, ist nicht nur ein wohlklingender Ausdruck für die garantiert schwindelfreie Schwalbe, die formvollendet das Logo der auftretenden Agentur Schöner Leben ziert. Avaler bedeutet auf Französisch schlicht: schlucken.
Stadt, Mensch, Raum, Kunst — in diesem Viereck bewegen sich die Projekte des Festivals, das neben Theater, Musik, Kunst und Tanz auch eine Public-Viewing-Performance zum EM-Finale ins Programm genommen hat. „Niemandsländer, Graubereiche, Räume mit einer besonderen Energie“, so bezeichnet der Erfinder des Festivals Seeger-Zurmühlen die Spielstätten.
Mit seiner aktuellen Produktion „Düsseldorf Sous-Terrain“ und der Idee von Avaler will er nicht nur den Blick in diese Bereiche lenken, sondern auch von den Tour-Teilnehmern wissen, wem diese Stadt gehört; wie sie aussehen soll. Der Regisseur, Schauspieler und künstlerische Leiter sagt: „Es ist eine offene Situation, wir wollen das rausfinden.“
Rund zwei Stunden geht’s bei der theatralischen Führung durch Düsseldorf — vom NRW-Forum am Rhein entlang bis zum neu gebauten Viertel, das nur einen kleinen Denkschritt entfernt liegt von den urbanen Utopien, die Seeger-Zurmühlen und per.Vers entwerfen. Dazu gehören Formen der Fortbewegung, so genannte Murmeln, in der selbst Kinder ungefährdet durch die Stadt murmeln können. Auch Abenteuer-Reisen bietet die Agentur risikofrei an. Was spricht eigentlich gegen Wintersport in einem ehemaligen Bahntunnel? Unterwegs sind die Zuschauer und Mitmacher im Bus und zu Fuß — vorne weg die Schwalbe, ein trendiges Moped, das den Hipstern von morgen den Weg weist.
Gedankenspiele, Vermarktungsstrategien und gelebte Wirklichkeit treffen im Grenzgebiet zum Quartier Central künstlerisch aufgeladen aufeinander. Wie durch eine Schleuse führt Seeger-Zurmühlen durch eine Unterführung am S-Bahnhof Wehrhahn. Der Blick zurück zeigt ein von Beton umrahmtes Bild mit den strahlenden Fassaden der Neubauten wie auf den Verkaufsbroschüren. Spraydosen am Boden und Graffiti an den Wänden begleiten den Transit in eine innerstädtische Wildnis, ein brombeerumrankter Pfad lockt weiter. Es offenbart sich ein Lebensentwurf, der wohl nur aus der Schwalben-Perspektive verheißungsvoll erscheint. Wenn auch ein ganz anderer als das moderne, helle und unbeschwerte Leben in Le Flair, Pandion d’Or und Ciel et Terre.