Tonhalle: Symphoniker ehren den Komponisten Jürg Baur
„Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ mit Star-Solistin Michala Petri.
Düsseldorf. Am 11. 11. wird er 90 Jahre alt, aus diesem Anlass ehren ihn die Düsseldorfer Symphoniker. Sein Concerto da Camera für virtuose Blockflöte und erweitertes Kammerorchester komponierte Jürg Baur, Jahrgang 1918, in den 70er Jahren und gab ihm den an Proust angelehnten Titel "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit".
Als Solistin gastiert die weltberühmte dänische Blockflöten-Virtuosin Michala Petri in der Tonhalle und verleiht dem Concerto mit ihrem bravourösen Spiel einen Extraschuss Brennstoff. Die Leitung hat ein schweizerischer Gastdirigent: der in Zürich geborene Mario Venzago.
Baurs Blockflötenkonzert stellt eigentümliche Dialoge her zwischen modernen und historischen Bezirken. Die grundsätzliche Klangsprache ist die des 20.Jahrhunderts mit frei- und zwölftonalen Feldern, verzerrenden Überblasungen und manch anarchistischem Glissando.
Im Zentrum der Rückbesinnung auf alte Meister steht ein Telemann-Zitat. Es taucht nur ganz versteckt als harmonisches Fundament auf und weckt nostalgische Gefühle. Michala Petri erscheint voll bepackt mit verschiedenen Blockflöten auf dem Podium - von der großen Bass- bis zur winzigen Sopraninoblockflöte. Souverän bewältigt die Musikerin die virtuosen Passagen, auch auf zwei Flöten gleichzeitig einen Akkord zu blasen, scheint ihr nicht die geringste Mühe zu bereiten.
Mithin entsteht ein dynamisches Wechselspiel zwischen Soli und Orchester, bei dem auch der zeitweilige Humor der Komposition zur Geltung kommt. Für den kräftigen Beifall bedankt sich Petri mit flotten Variationen über ein dänisches Lied.
Zu Gehör kommt auch das Spätwerk "Stille und Umkehr" des wie Baur im Jahr 1918 geborenen Bernd Alois Zimmermann, der 1970 den Freitod wählte. Das kurze Orchesterstück fokussiert den Ton "D" über die gesamte Spieldauer. Das erfordert vom Publikum Konzentration und Bereitschaft für eine besondere Art der Stille. Einer gewissen Unruhe im Publikum war am Freitag abzulesen, dass Zimmermanns späte Entsagungsästhetik nicht jedermanns Sache war.
Neben dem Modernen erklingt Romantisches von Robert Schumann, unter anderem die "Rheinische Symphonie". Mario Venzago, der als Schumann-Spezialist gilt, wählt auffallend getragene Tempi, vor allem in den ersten beiden Sätzen. Im Finalsatz versteigt er sich in eine extreme Agogik, die teils durch starke Verzögerung verblüfft.
So wirklich gut tut das dem 5.Satz nicht, da der Impetus empfindlich abgebremst wird. Die Tempo-Steigerung am Schluss erzeugt dafür eine schöne Verve, und die Düsseldorfer Symphoniker folgen Venzagos Eskapaden mit professioneller Gutwilligkeit.
Noch einmal am Montag, 20 Uhr, in der Tonhalle. Karten unter Telefon 0211/899 61 23.