Wendt: „Die Klassik nimmt sich heute viel zu ernst“
Der Pianist Joja Wendt erklärt, warum sich junge Leute nicht in Klavier-Konzerte wagen und wie hart die Arbeit als Musiker ist.
Düsseldorf. Herr Wendt, wer zu Ihnen ins Konzert geht, muss sich darauf vorbereiten, dass es etwas anders zugeht als bei dem typischen, ernst-erhabenen Klavierabend. Was kommt bei "Mit 88 Tasten um die Welt" auf das Publikum zu?
Joja Wendt: Der Titel lehnt sich an Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" an. Ich hatte vor anderthalb Jahren das Glück, eine Weltreise machen zu können, und bin dabei mit sehr unterschiedlichen Musikkulturen zusammengetroffen - irische Volksstücke, traditionelle chinesische Musik, russische Meisterkonzerte und so weiter. Daraus habe ich einen musikalischen Abend zusammengestellt, der das Publikum vor allem unterhalten soll - wie immer mit dem Ziel, das heute so verpönte und altmodische Genre "Klavierkonzert" wieder aufzupeppen. Klavierspielen macht Spaß, das ist meine Botschaft.
Wendt: Nicht generell, ich liebe klassische Musik. Aber viele Dinge sind doch leichter, wenn man sie mit einem Lächeln oder einem Augenzwinkern angeht. Und die Klassik nimmt sich heute leider viel zu ernst, so dass gerade die jungen Leute sich kaum mal in ein Klavierkonzert wagen würden. Deswegen tun Popstars wie Lang Lang der Szene auch gut - sie machen Show und geben damit der Musik ein Gesicht.
Wendt: Das Klavierspielen ist mein Hobby und mein Beruf - einfach mein Leben, seit ich als Kind mit dem Üben begonnen habe. Aber um davon leben zu können, muss man schon für die Musik brennen, mit Haut und Haaren. Als junger Mann, so zwischen 20 und 30, habe ich praktisch den ganzen Tag gespielt, am Flügel gegessen, teilweise darauf geschlafen. Dass es so etwas wie Partys gibt, daran musste man mich erinnern. Und das Publikum habe ich kennen gelernt, indem ich von Kneipe zu Kneipe gezogen bin und Jazz gespielt habe.
Wendt: Aber gerade die Tonhalle ist ein Ort, an dem ich besonders gern auftrete - die Akustik, dieser runde Bau, in dem man ganz dicht am Publikum ist - schon allein deswegen komme ich immer wieder gern nach Düsseldorf. Zudem habe ich hier viele Fans, und bei Konzerten herrscht immer eine besonders gute Stimmung.
Wendt: (lacht) Zum Glück ist Musik ein so weites Feld, dass man nie alles gemacht haben kann. Neben vielen neuen Stilrichtungen hat mich aber am meisten eine Geschichte überrascht, die mir in einer Musikschule auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka erzählt wurde. Dorthin kam eines Tages ein Eskimo, der zum ersten Mal überhaupt ein Klavier sah. Er setzte sich davor und spielte aus dem Gehör eine Melodie, die ihm seine Großmutter immer vorgesungen hatte - nur mit den Fäusten auf den schwarzen Tasten. Diese Melodie spiele ich auch in meinen Konzerten, und die Leute sind begeistert. Für mich ist sie ein perfektes Beispiel dafür, dass Musik eben nicht aus Noten besteht, sondern aus Emotion. Musik spricht jeden auf der Welt an, mehr als jede Sprache.