Tonhalle: Szenen einer kühlen Ehe

Sternzeichen: Generalmusikdirektor Andrey Boreyko und die Symphoniker finden mal mehr, mal weniger zueinander.

Düsseldorf. Liebe auf den ersten Blick war es wohl nicht, die Generalmusikdirektor Andrey Boreyko und Düsseldorfer Symphoniker aneinander schweißte. Dirigent und Orchester sprechen mit Respekt voneinander, geraten dabei aber kaum ins Schwärmen. Auch als Konzertbesucher entflammt man nicht gerade vor Begeisterung, wenn der Chef am Pult waltet. Die Darbietungen sind professionell, es gibt sogar Momente von beachtlicher Ausdruckskraft, doch füllt deren Dauer nicht gerade den Abend aus.

So ist es auch beim aktuellen Symphoniekonzert mit Werken von Franz Schubert und Luciano Berio sowie der Sechsen Symphonie, „Pathétique“, Peter Tschaikowskys. Boreyko vermag durchaus geheimnisvolle Stimmungen zu erzeugen, satztechnische Besonderheiten hervorzuheben, Verborgenes ans Licht zu bringen. Das fällt gewiss gewichtig in die Waagschale bei einem modernen Werk wie Berios „Rendering“, dieser kunstvollen Restaurierung einer nur fragmentarisch überlieferten Zehnten Symphonie Schuberts.

Wie Berio die fehlenden Stellen mit eigener Tonsprache und Klangreflexionen über Schuberts Spätwerk füllt, fasziniert ungemein. Es ist wie ein surrealer Traum von Schubert-Zitaten, die vernebelt, nachtumflort, aber bisweilen silbrig phosphoreszierend in Erscheinung treten. Und das Orchester musiziert hier so fein, und der GMD dirigiert derart detailbedacht, dass es vorübergehend so scheint, als sei man füreinander geschaffen. Aber die Musikwelt zeigt sich nun mal sehr facettenreich.

Bereits ein früher Schubert verlangt andere Fertigkeiten: Die 3. Symphonie D-Dur käme im Idealfall leicht, beschwingt, spielerisch-virtuos daher und sprühte vor alpenländischem Charme. Doch bewegen sich Boreyko und das Orchester in diesem österreichischen Garten Eden wie Rucksacktouristen: fröhlich beflissen, aber etwas schwerfällig und schlecht akklimatisiert. Nun könnte der russische Musiker Boreyko im Falle der Tschaikowsky-Symphonie der perfekte Guide für das Düsseldorfer Orchester sein.

An vielen Stellen funkt es auch, kommt das Leidenschaftliche der „Pathétique“ zum Vorschein. Doch in Fahrt kommen nur die Parade-Passagen, die eigentlich immer gut laufen. Gestalterisch Schwieriges wie der Anfang des 1. Satzes entwickelt dagegen kaum Spannkraft. Es scheint, als wisse man im Orchester nicht immer so recht, auf was der GMD klanglich hinaus will — Zeichen einer künstlerischen Verbindung, der es noch immer an Empathie und Wärme fehlt.