Gentrifizierung Die Brause feiert Abschied und sucht neue Räume

Düsseldorf · Nach 18 Jahren muss die Brause ihren Standort verlassen. Ein Investor hat das Grundstück gekauft. Am Samstag steigt die große Abschiedsparty in dem Kunstverein.

Stefan Pennartz, Julian Meurer und Anna Popp in der Brause, dem Vereinheim des Metzgerei Schnitzel e.V..

Foto: Joachim Hennig

„Die Brause ist dafür verantwortlich, dass der Stadtteil interessant geworden ist“, sagt Stefan Pennartz. Der 39-Jährige ist im Vorstand des Kunstverein Metzgerei Schnitzel e.V. Die Brause ist deren Vereinsheim. Konzerte, Kunstausstellungen, Lesungen, Grillfeste, soziale Projekte: Seit 18 Jahren findet in der ehemaligen Tankstelle an der Bilker Allee 233 in Friedrichstadt ein alternatives Kulturprogramm statt, abseits von etablierter Hochkultur und kommerziellem Druck. Etwa zehn Veranstaltungen finden im Monat statt. Der Eintritt ist immer kostenlos. Jetzt ist damit Schluss, zumindest am alten Ort. Das Grundstück wurde an einen Investor verkauft. Der verspricht auf seiner Homepage „Hochwertige Immobilien als sichere Kapitalanlagen“. Eine Tiefgarage soll auch geplant sein. Zwei Geschäfte im Erdgeschoß.

Der Mietvertrag sollte ursprünglich bis Ende 2020 laufen

Die Brause muss raus aus ihrem 20 m² großen „Wohnzimmer von Bilk“, wie Pennartz sie nennt. Vorher wird aber noch einmal groß gefeiert. Am 1. Juni findet die Abschiedsparty statt. Vor einem Jahr hieß es noch, die Brause könne bis zum 31. Oktober 2020 am alten Ort bleiben, im März dann die Hiobsbotschaft: Der Mietvertrag läuft schon Ende Mai aus. „Das war erstmal ein Schock. Wir dachten ja, dass wir noch bis Ende 2020 Zeit haben, nach neuen Räumen zu suchen“, sagt Pennartz.

„Die Brause steht für Micro- und Kleinkultur“, erklärt Anna Popp (36), selber seit sechs Jahren aktiv in der Brause, das Konzept. „Die Brause ist ein Möglichkeitsraum. Ohne solche Räume haben Musiker und Künstler nicht mehr die Möglichkeit, sich im kleinen Rahmen auszuprobieren.“

Wie geht es nun weiter? Der Verein sucht schon seit einiger Zeit geeignete Räume. Durch die Verkürzung der Mietzeit ist der Druck nun deutlich gestiegen. „Wir sind an mehreren Objekten interessiert und haben auch schon einige im Blick“, sagt Pennartz. Eins steht für ihn fest: „Wir wollen gerne im Viertel bleiben.“ Das heißt: Friedrichstadt, Bilk, Unterbilk oder Oberbilk. Ein Raum als Zwischennutzung wäre auch möglich, aber nicht ideal. „Wir wollen uns langfristig an einem Ort etablieren“, sagt Julian Meurer (38) vom Brause-Vorstand. Der Kunstverein ist hier fest verankert, die meisten der 130 Mitglieder wohnen fußläufig von der alten Tankstelle. „Hier kann man nach der Arbeit noch schnell hin, wenn die neuen Räume zum Beispiel in Eller wären, würden viele Leute aus der aktiven Vereinsarbeit aussteigen.“ Das Vereinsheim sollte 30 bis 50 m² groß sein und ein Lager sowie einen Außenbereich haben. Möglichst von Wohnnutzung abgekehrt. Konzerte sind um 22 Uhr vorbei. „Da sind wir sehr penibel“, betont Meurer. Die zentrale Lage ist für die Brause-Macher außerdem wichtig, weil sie Nischenkunst präsentieren. „Ein japanischer Noice-Rocker, der mit Feedback-Schleifen arbeitet, zieht nicht viele Besucher an den Stadtrand, aber bei einer zentralen Lage kommt auch spontan Publikum hinzu.“, erklärt Pennartz.

Die Brause war 18 Jahre in der alten Tankstelle.

Foto: Sebastian Paschold

Eine kleine Chance für den alten Standort gibt es noch. Die SPD hat einen Antrag auf Prüfung der Denkmalschutzwürdigkeit gestellt. Im Antrag heißt es: „Die ehemalige Tankstelle mit der Ecksituation stellt aus unserer Sicht städtebaulich eine Besonderheit der damaligen Epoche dar“. Mitte Mai wurde der Antrag von der BV 3 beschlossen. Die CDU hat sich enthalten. Wolfgang Müller (CDU) hält den Bereich zur Schaffung von Wohnraum geeignet, dies würde auch zu einer besseren Unterkunft des Kunstvereins führen, sagt er in der Sitzung.

Tankstelle könnte unter Denkmalschutz gestellt werden

Die Verwaltung prüft nun, ob die ehemalige Tankstelle unter Denkmalschutz gestellt werden kann. Wie lange dieser Prozess dauert, ist noch offen. „Bisher ist noch nichts konkretes herausgekommen“, sagt die Bezirksverwaltung auf Nachfrage. Egal wie entschieden wird, für die Brause gibt es einen Haken: Der Verein ist nicht Besitzer der Immobilie. Das ist die Investorengruppe. Die wäre dann verpflichtet das Gebäude instand zu halten. Dürfte es nicht abreißen und nicht baulich verändern. Der Brause-Vorstand ist skeptisch: „Auch wenn die Tankstelle unter Denkmalschutz gestellt wird, kann die Investorengruppe selber über die Nutzung entscheiden.“ So oder so ist die Kündigung rechtskräftig. Die Brause hat keine Garantie für eine weitere Nutzung. „Wir hätten Feldhamster aussetzen sollen, das hätte vielleicht geholfen“, lacht Anna Popp.

Jetzt findet am Samstag die große Abschiedsparty statt. Um 14 Uhr geht es los. „Wir hatten nur wenige Wochen Zeit für die Planung“, deshalb sei vieles sehr spontan entstanden, sagt Pennartz. Es soll eine bunte Mischung aus allen Brause-Veranstaltungen geben. „Den Nachmittag wollen wir gemütlich beisammen sitzen und ein kleines bisschen Picknick-Atmosphäre an der Tankstelle aufkommen lassen.“ Essen darf mitgebracht werden. Dazu legen den ganzen Tag über DJs auf, die die Brause über die Jahre begleitet haben. Es wird eine Fotobox geben. Außerdem wird eine große Wand aus Packpapier aufgestellt, auf der sich die Gäste verewigen können. Live-Musik gibt es auch: „Maarten Gewitter“, „Conyo“ und „fourgruppe“ spielen, außerdem am Nachmittag schon „Burn“.

Danach heißt es dann: Präsent bleiben, auch ohne Vereinsheim. Es soll zwischendurch Veranstaltungen an anderen Orten geben. „Je länger die Brause keinen Raum hat, desto schwieriger wird es, die Mitglieder zu motivieren“, weiß Pennartz. Ein ähnliches Schicksal hatte bereits Anfang 2017 den off-Raum „damenundherren“ getroffen. Seitdem der Kunstverein aus seinem Ladenlokal auf der Oberbilker Allee heraus musste, suchen die verbliebenen Mitglieder eine dauerhafte Bleibe. Bisher ohne Erfolg.