Düsseldorf Lebende Bibliothek: Gesprächspartner zum Ausleihen
Fragen stellen oder sich einfach unterhalten: Bei der Lebenden Bibliothek können Menschen für kurze Zeit ausgeliehen werden.
Düsseldorf. Dagmar Hauptvogel ist das, was man eine Weltenbummlerin und Lebenskünstlerin nennt. Schon als Kind ist sie immer wieder umgezogen, später lebte sie einige Zeit in einem alten Gutsschloss an der Costa del Sol wie vor 100 Jahren: ohne Strom und fließendes Wasser und komplett selbst versorgt. Die Düsseldorferin hat schon vieles angepackt, an vielen unterschiedlichen Orten der Welt gelebt und gearbeitet. Wer mehr über ihr buntes Leben erfahren will, kann das Buch „Dagmar“ für eine halbe Stunde ausleihen.
Dagmar ist Teil der Lebenden Bibliothek, die tatsächlich so funktioniert wie eine klassische Bibliothek. In Düsseldorf gab es so eine Bibliothek bereits drei Mal — unter anderem beim Zakk-Straßenfest und beim Quartiersfest am Hauptbahnhof.
Aus einer „Bestandsliste“, in der die „Bücher“ genauer beschrieben sind, kann man eines auswählen. Der Mensch, der hinter dem Buch steckt, geht dann mit dem Ausleiher an einen ruhigen Ort und man hat eine halbe Stunde Zeit, Fragen zu stellen, zuzuhören oder selbst zu erzählen. „Hintergrund ist, Vorurteile abzubauen und ins Gespräch zu kommen“, sagt Sabine Kern vom Caritasverband, der die Lebende Bibliothek organisiert. Die Idee kommt aus Dänemark und hat sich auf der ganzen Welt verbreitet. Besonders Menschen, die normalerweise keine Stimme in der Öffentlichkeit haben, zum Beispiel weil sie zu einer sozialen Minderheit gehören, sollen hier zu Wort kommen.
Zum Bestand gehören aber auch Menschen, die aus verschiedenen Gründen für die „Leser“ interessant sein können. Es gibt Menschen aus bestimmten Berufsgruppen, zum Beispiel einen Polizisten oder einen Bahnmitarbeiter, Menschen, die an interessanten Projekten beteiligt sind, wie eine Foodsharing-Ehrenamtliche oder eine Kinderhospiz-Mitarbeiterin und Menschen, die eine schwierige oder ereignisreiche Geschichte hinter sich haben, wie ein Geflüchteter, eine Transsexuelle oder eine Obdachlose — oder eben Dagmar Hauptvogel.
Im Gespräch können die „Leser“ den „Büchern“ dann ganz offen Fragen zu deren Geschichte stellen. Das tue aber nicht jeder, sagt Dagmar Hauptvogel. „Viele, die mich bisher ausgeliehen haben, haben auch von sich selbst erzählt“, sagt sie. Sie merke oft, dass Menschen das persönliche Zwiegespräch fehlt. Wenn man manchen Menschen einen kleinen Schubs gebe, erzählen sie gerne auch ihre eigene Lebensgeschichte. Dabei könne auch sie als „Buch“ viel lernen.