Düsseldorf. Es ist wie zu Beginn des Tourismus-Booms auf Mallorca. Der dröhnende Propellerflieger ist eines von vier Flugzeugen des Tages in Brünn, und als er auf der Piste aufgesetzt hat, dürfen die Passagiere zu Fuß übers Rollfeld zum Terminal. Auf dem Boden markieren große Logos den Weg: Die Silhouetten zeigen einen Mann mit Hut, der ein Mädchen mit Schleifchen im Haar begleitet. Ein bisschen Lolek und Bolek ist also immer noch in Tschechien, und dazu passt auf der Fahrt ins Hotel auf einem Stromkasten ein Graffito, das einen TV-Kindheitshelden zeigt: Pan Tau.
Ansonsten ist das Land, das auf den Speisekarten obligatorisch Knödel mit Schweinebraten führt, in Europa angekommen - wenngleich sein Präsident der Wirtschaft den ersehnten Euro verweigert. Das Leben gleicht sich an. Seit dem EU-Beitritt 2004 etwa muss Herbert Vogt, Finanzchef der Düsseldorfer Messe und Vorstandschef in Brünn, nicht mehr quartalsweise an einem bestimmten Tag zu tschechischen Behörden, um sich einen Stempel in den Pass drücken zu lassen. Das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten (960 Euro) hat mittlerweile das in Ostdeutschland (1150 Euro) fast erreicht.
Brünn in Südmähren, gerade mal 55 Kilometer von Wien entfernt, ist wieder blühender Messeplatz. Daran hat die Düsseldorfer Messe einen großen Anteil. Sie hält seit zehn Jahren die Mehrheit an der Messegesellschaft, gut ein Drittel gehört der Stadt Brünn. Man legt Wert auf die Kooperation, die Aufsichtsratssitzungen werden zweisprachig abgehalten, und wenn er die Dinge auch nicht vermengt sehen will, so ist es doch bezeichnend, dass Messe-Manager Egbert Zündorf der Präsident des Brünner Eishockey-Clubs ist.
Brünn gibt sich optimistisch, trotz Krise. Mit einem großen Feuerwerk weihen Messe und Stadt zum laufenden Automobilsalon die hochmoderne Halle P ein: 220 mal 90 Meter groß, je nach Wechselkurs 28 bis 30 Millionen Euro teuer. "Nein, wenn wir heute zu entscheiden hätten, würden wir die Halle wohl nicht bauen", räumt Jiri Skrla ein. Der Generaldirektor freut sich, weil nach ersten Absage-Überlegungen nun doch 30 Automarken vertreten sind, allen voran die VW-Gruppe, und sich die Weggebliebenen bereits ärgern.
Aber: Skrla hat im vergangenen Jahr 47 Mitarbeiter entlassen müssen. Der Umsatz wird 2009 um 20 Prozent einbrechen, denn der Hauptumsatzbringer Maschinenbaumesse im Herbst wird um mindestens ein Viertel schrumpfen. Skrla kämpft um die Attraktivität seiner Veranstaltungen und erwägt beispielsweise, die sich jährlich abwechselnden Schauen für Pkw und Nutzfahrzeuge wieder zusammenzulegen.
Herbert Vogt verfolgt die Entwicklung genau. Denn Brünn ist die Perle auf einer Kette, die in den Stockumer Messetürmen unter dem Titel "Im Osten geht die Sonne auf" läuft. Auslandstöchter und Beteiligungen in Brünn, Moskau, Schanghai bringen Kunden, und die Messe bringt ihre Kunden dorthin. Vogt nennt Beispiele: "Es hat Jahre gedauert, aber heute haben wir bei der Freizeitmesse Sportlife in Brünn auch mehrere Hallen mit Ausstellern der boot und der Caravan." Auch die Druckmesse hat einen Ableger in Brünn, ebenso Mode- oder Stahlproduzenten. Andererseits betreut die Brünner Standbaufirma die Hälfte des Düsseldorfer Messegeländes - so entsteht ein Kreislauf, in dem alle Beteiligten Umsatz und Gewinn produzieren sollen.