Mischa Kuball verschenkt Kunstwerk

Der Künstler hat eine Fotomontage entwickelt, die eine zugemauerte Kunsthalle zeigt. 500 Poster davon gibt es dort zum Mitnehmen.

In der ersten Etage der Kunsthalle steht eine Palette, die zu interessanten Szenen führt. Auf der Palette liegt ein Stapel mit Postern, daneben befinden sich Gummibänder und Plastikschläuche. Das sieht alles so aus, als könnte man sich ein Poster nehmen, es einrollen, mit dem Gummi und dem Plastikschlauch schützen und nach Hause transportieren. So ganz sicher sind die Besucher des Hauses am Grabbeplatz aber nicht. Sie schleichen um die Palette und suchen einen sicheren Hinweis, dass das wirklich erlaubt ist. Damit hat Künstler Mischa Kuball schon sein erstes Ziel erreicht. Die Menschen betrachten die Palette als Kunstwerk, obwohl er dort eigentlich nur eines macht: Er verschenkt 500 Poster einer Schwarz-Weiß-Fotomontage.

Foto: che

Die ursprüngliche Idee des Düsseldorfer Künstlers ist damit zugleich abgeschwächt und radikalisiert. In der aktuellen Schau der Kunsthalle, „Akademie [Arbeitstitel]“ stellen Lehrende und Studierende dreier Hochschulen zum Thema „Archiv“ aus. Sie kommen von den Kunstakademien in Düsseldorf und Münster sowie der Kunsthochschule für Medien in Köln. An letztgenannter lehrt auch Kuball. Ursprünglich wollte er mit Hilfe eines Gerüsts und eines entsprechend bemalten Textils die Kunsthalle verhüllen und nur den Eingang freilassen, so dass es so ausgesehen hätte, als ginge man dort in die Tiefe eines Archivs. Diese Idee konnte leider nicht Wirklichkeit werden, deshalb hat er den Entwurf radikalisiert und in einer Fotomontage das Gebäude komplett zugemauert. „Présence d’absence“ steht auf der Fassade, die Anwesenheit des Abwesenden.

Mit seiner Aktion verbindet Kuball viele weitere Gedanken: Seine Poster sollen im Idealfall in 500 privaten „Archiven“ landen, eben in den Häusern und Wohnungen der Um-die-Paletten-Schleicher und Mitnehmer. Zugleich erinnert der 58—Jährige damit auch an die Diskussion, die es vor einem guten Jahrzehnt gab, als die Idee im Raum stand, die Kunsthalle zu schließen und das Areal für andere Zwecke zu nutzen. „Welche Rolle spielt die Kunst in der Mitte unserer Stadt? Wie ist ihr Verhältnis zum Kommerz? Und was wäre passiert, wenn die Kunsthalle und ihre Geschichte tatsächlich in einem Archiv gelandet wären?“, lauten die Leitfragen dazu.

Schließlich erinnert der Künstler auch an den Einsturz des Stadtarchivs in Köln, das seiner Hochschule ganz nah liegt. Der Gerichtsprozess nähert sich seinem Ende, aber viele Punkte sind offen von der Verantwortung bis zu der Frage, wie Gedächtnis im großen Sinne eigentlich funktioniert.

Dass das Projekt die Besucher miteinbezieht, passt gut zur übrigen Ausstellung, denn vieles darin entsteht erst vor Ort und ist für die Besucher live zu erleben. Da sind Künstler, die ihr Archiv erstellen und von ihren eigenen Fundstücken begeistert sind. Da sind andere, die den Ausstellungskatalog in einem Raum entwickeln und die Werke, Auftritte, Konzerte und Vorträge dokumentieren. Und da ist die Arbeit, die aktuell am Eingang zu sehen ist. Da liegen Steinbrocken, es sieht nach einer Explosion oder anderer Form der Gewalt aus — so als hätte jemand die Mauer, die Mischa Kuball in seiner Fotomontage errichtet hat, wieder aufgebrochen.