Mobbing per Mausklick: „Es wird immer schlimmer“
Experten fordern mehr Schulungen für Jugendliche — und Unterstützung dafür von der Stadt.
Düsseldorf. Plötzlich stand die Lehrerin vor der Klasse, schaute die Schülerin an und sagte: „Dein Facebook-Bild sieht echt nuttig aus.“ Das Mädchen war geschockt, den Tränen nahe. Es folgte eine Odyssee zu Vertrauenslehrern und Rektorat. Am Ende musste die Lehrerin sich entschuldigen.
„Solche Situationen sind für Schüler am schlimmsten. Wenn die Lehrer Partei ergreifen“, sagt Elisa Behner vom Verein Pro Mädchen. Sie vermittelt Schülern Medienkompetenz und hat mit vielen Mobbingfällen zu tun.
Beispiele wie dieses, das sich tatsächlich an einer Düsseldorfer Schule abgespielt hat, zeigen, wie durch das Internet die Grenzen zwischen Schule und dem Privatleben junger Menschen verschwimmen. Mobbing ist damit kein Schulhof-Problem mehr. Durch Laptop, Smartphone und soziale Netzwerke wie Facebook ist es im Kinderzimmer angekommen.
Zahlen belegen: Cybermobbing ist auf dem Vormarsch. In einer aktuellen Umfrage der Techniker-Krankenkasse gab mehr als ein Drittel aller Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen an, schon einmal Opfer geworden zu sein. Jeder fünfte Befragte konnte sich vorstellen, selbst zum Täter zu werden.
Zahlen für Düsseldorf gibt es nicht. „Aber es ist mehr geworden. Und die Opfer werden stärker drangsaliert als früher“, sagt CDU-Politiker Thomas Jarzombek. Er sitzt im Bundestag und ist Experte für „Neue Medien“. „Mobbing ist nicht neu. Aber durch Internet und Handy zieht es größere Kreise.“
Für Menschen wie Elisa Behner, die sich für Gewaltprävention einsetzen, ist es ein mühsamer Kampf. Sie konfrontiert die Mädchen mit dem, was sie über sich ins Netz stellen. Zeigt ihnen, wie sie ihre Privatsphäre besser schützen können.
Finanziert werden ihre Workshops von der Stadt. „Aber der Bedarf ist größer als das Angebot. Dieses Jahr konnten wir 15 Seminare durchführen — für mehr hatten wir kein Geld“, sagt sie. Regelmäßig schreibt sie nun Absagen an Schulen. „Personen, die wie ich in diesem Bereich arbeiten, lassen sich an einer Hand abzählen.“
Diesem Vorwurf widerspricht Jugendamts-Leiter Johannes Horn. „Ich glaube, dass die Stadt eine Menge macht.“ 30 000 Euro sollen im kommenden Jahr für den Jugendmedienschutz zur Verfügung gestellt werden. Den gleichen Betrag gab es bereits 2012.
Elisa Behner reicht das nicht: „Wir brauchen Planungssicherheit. Mündliche Zusagen helfen nicht.“ Rund 350 Euro kostet ein Workshop, wie sie ihn macht. Inzwischen bezahlen manche Schulen sie aus eigener Tasche. „Das Thema ist bei den Lehrern angekommen“, sagt Behner.
Und bei den Schülern. „Ein öffentlicher Streit ist demütigend“, sagt Vera (16). Sie geht auf die Montessori Hauptschule und erlebt oft, wie Streit im Klassenzimmer anfängt und im Internet fortgesetzt wird. Benutzerkonten werden gehackt, Beleidigungen gepostet. Für die Betroffenen bedeutet das Dauerstress.
„Einfach offline zu gehen, ist keine Lösung. Der Streit ist ja trotzdem da“, sagt Thomas Jarzombek. Deswegen müsse an den Schulen mehr passieren, fordert er und nennt als Beispiel Medienkompetenz-Abende für Eltern und Lehrer. Denn die Jugendlichen lassen sich vom Internet nicht mehr trennen. Auch Vera würde sich nicht dauerhaft ausloggen — zu groß ist die Angst, etwas zu verpassen. „Aber vielleicht wäre alles ohne Facebook manchmal einfacher.“