Gedenken „Furchtbare Juristen“ wirkten auch in Düsseldorf auf breiter Front
Düsseldorf · Ein kleines, sehr gutes Buch der Mahn- und Gedenkstätte beleuchtet die Justiz der NS-Zeit in vielen Facetten.
„Am Oberlandesgericht und allen anderen Gerichten, die es in Düsseldorf gab und gibt, wurde in der Zeit des Nationalsozialismus Unrecht gesprochen.“ Dies ist der erste Satz im neuen und neunten Band aus der Kleinen Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte, Titel: „Im Namen des Volkes...“ Heute ist dieser Satz auch unter Juristen unstrittig, freilich noch nicht so lange, wie man glauben könnte. Mindestens bis in die 1960er-Jahre hielt sich die Mär von der „sauberen Justiz“ als „nazifreier Zone“ im Dritten Reich, sagt der Historiker Peter Henkel, neben Bastian Fleermann und Hildegard Jakobs von der Mahn- und Gedenkstätte einer der Autoren des schlanken Buches.
Und so konnte ein Staatsanwalt Wolfgang Burchardt, der als NSDAP- und SA-Mitglied am Düsseldorfer Sondergericht für mindestens acht Todesurteile Mitverantwortung trug, 1957 erst zum Ober- und dann zum leitenden Oberstaatsanwalt befördert werden. Selbst Paul Windhausen, ein Nazi der allerersten Stunde, der 1943 Präsident des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes (OLG) wurde und als einziges Ziel seiner Arbeit den „Endsieg“ nannte, konnte nach dem Krieg reüssieren. Von den Alliierten zumindest als „Minderbelasteter“ in die Kategorie III gestuft (fast alle anderen Juristen fielen unter die Kategorien IV, „Mitläufer“, und V „Unbelastete“), ließ er sich 1953 als Anwalt nieder.
Mit der späten Vergangenheitsbewältigung endet der komprimierte, sehr informative und attraktiv gestaltete Band. Gewidmet ist er der gerade in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen Präsidentin des OLG, Anne-José Paulsen. Hildegard Jakobs stellte noch einmal heraus, wie hartnäckig und couragiert sich diese Richterin um die Aufarbeitung der Justiz-Vergehen in der NS-Zeit verdient gemacht hat.
Besonders unrühmlich hervor taten sich die Sondergerichte
In den Kapiteln davor wird auf den verschiedensten Ebenen das Wirken der „Furchtbaren Juristen“, so der Titel des bekannten Buches von Ingo Müller aus dem Jahr 1987, in Düsseldorf gezeigt. Es geht um die gesamte Rechtssprechung in der nationalsozialistischen Zeit von 1933 bis 45, um Amts-, Land, Oberlandes- und die Sondergerichte, um die Staatsanwaltschaft und den Strafvollzug in der Ulmer Höh’. In der saßen über die NS-Jahre tausende „politische“ Gefangene, Männer, die als Homosexuelle verurteilt waren, aber auch wegen „Rassenschande“ oder Wehrkraftzersetzung abgeurteilte Bürger. Die letzte Hinrichtung in der „Ulm“ fand 1934 statt, weil sie von außen zu einsehbar war. Danach kamen auch in Düsseldorf zum Tode Verurteilte im Kölner Klingelpütz unter das Fallbeil.
Das Buch zeigt, dass der totale Machtanspruch des Regimes auf allen Rechtsgebieten galt. So wurden im Zivilrecht zum Beispiel immer wieder jüdische Düsseldorfer krass benachteiligt. So wurde eine Geschäftsinhaberin, deren Laden die Nazis im Zuge des Novemberpogroms 38 zerstört hatten, dazu verurteilt, die Kosten der Schäden selbst zu tragen.
Unrühmlich hervor taten sich im Laufe der Jahre und insbesondere seit Kriegsbeginn Sondergerichte, die ihren Ursprung in der Weimarer Republik hatten. Das Sondergericht saß im Gebäude des heutigen Justizministeriums am Martin-Luther-Platz, als es 1943 von Fliegerbomben zerstört wurde, zog es ans Amts- und Landgericht an der Mühlenstraße. Zunächst behandelte es vor allem Verstöße wie das Hören von Feindsendern oder Verunglimpfungen von Repräsentanten des Reiches, dann zog es immer mehr Verfahren an sich, vor allem, wenn damit das „öffentliche Rechtsempfinden“ im Sinne des Regimes gestärkt werden sollte. „Als Panzertruppe der Rechtspflege“ bezeichnete Justizminister Gürtner 1939 die Sonder- und Standgerichte. Die verhängten auch in Düsseldorf jede Menge skandalöse Urteile (darunter 89 Todesurteile). Um ihnen einen unabhängigen, rechtsstaatlichen Anstrich zu verpassen, wurden in den öffentlichen Verfahren immer wieder mal Freisprüche eingestreut.