Radikalismus: Hassprediger werden ausgebremst
Menschenfänger ködern junge Muslime. Awo-Mitarbeiter kämpfen dagegen – einmalig in NRW.
Düsseldorf. Es ging nur um 50 000 Euro. Von dem Geld wollte die Awo ein Projekt finanzieren, das den wachsenden Fanatismus unter muslimischen Jugendlichen stoppen soll. Doch CDU, FDP und Jugendverbände erteilten dem Vorhaben im vorigen Jahr im Jugendhilfeausschuss eine Absage und stimmten dagegen.
Der marokkanische Sozialarbeiter Aziz Ejjiar aber hat in der Düsseldorfer Muslimen-Szene zu viel gehört und gesehen, um sich mit dem Nein der Politiker zufrieden zu geben. Mit Unterstützung seines Chefs Michael Kipshagen, Leiter der Abteilung Soziales bei der Awo, legte er sein Konzept beim Jugendhilfeausschuss des Landes vor und fand schließlich dort die notwendige Unterstützung.
Seit Juni läuft nun in Düsseldorf ein Modellprojekt, das in Nordrhein-Westfalen einmalig ist. Die Zuständigkeit liegt bei Aziz Ejjiar und seinem Kollege Wolfgang Stoppel. Beide arbeiten seit Jahren mit deutschen und ausländischen Jugendlichen, und vor allem Ejjiar kennt deren fragiles Selbstbild, das radikale Islamisten zunehmend für ihre Zwecke manipulieren.
Nicht nur in den Zuwanderungsmetropolen London und Paris, sondern auch in Düsseldorf reisen Wanderprediger an, um junge Muslime als Geldboten oder Unterstützer für den Heiligen Krieg zu werben. Die Polizei bestätigt diese Entwicklung, weswegen ein Beamter für die Kooperation mit den in Düsseldorf ansässigen Moscheevereinen abgestellt wurde. Auch Stoppel und Ejjiar suchen den Kontakt zu den Vereinen. "Wir wollen mit ihnen gemeinsam die Jugendlichen schützen", sagt Ejjiar.
Dazu muss man aber zunächst wissen, wer Freund und wer Feind ist. Denn neben den 22 offiziellen Moscheevereinen gibt’s auch vereinzelt jene Gruppen, die lieber im Verborgenen zu Allah beten und radikalen Strömungen nicht abgeneigt sind.
Die größte marokkanische Gemeinde mit Sitz an der Ronsdorfer Straße gilt als Freund. Zum Freitagsgebet treffen sich hier Erwachsene und bis zu 700Kinder und Jugendliche. Ein guter Ort für Ejjiar und Stoppel, um Kontakte zu knüpfen.
Helfen soll dabei der 54-jähriger Marokkaner Zariouh Khalifa. Er ist im Sport aktiv, kennt die Moscheemitglieder und ist neuerdings auch Vorsitzender in dem Elternbetreuungsverein, den Ejjiar und Stoppel gerade gegründet haben. Schon lange hat der Mann vorgehabt, sich in seiner Gemeinde zu engagieren. Mit seiner Hilfe sollen Jungen und Männer sich in dem Verein zusammenschließen und regelmäßig treffen - auch zu Gesprächen über brisante politische Themen.
"Wir brauchen die Hilfe der Vereine und der Väter, um Zugang zu den Jugendlichen zu bekommen", sagt Ejjiar. Nach seinen Erfahrungen wissen die Eltern meist nicht, dass ihre Kinder auf verfassungsfeindlichem Terrain experimentieren. "Familien mit Migrationshintergrund sind so gut wie gar nicht in unseren Beratungsangeboten vertreten", sagt Stoppel. "Wir schaffen es nicht einmal, sie auf ganz niederschwelligem Niveau zu erreichen. Ihnen fehlt das Vertrauen."
Und so mündet die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher ohne Schulabschluss und Job im Nichts. Für radikale Menschenfänger ein idealer Zustand, zumal sich arabische Fernsehsender als Handlanger erweisen. "Wenn sich im Nahen Osten etwas Politisches ereignet hat, strahlt das bis nach Düsseldorf und wird in den Gruppen diskutiert", sagt Ejjiar. Dies leider nicht immer im Sinne der liberalen, demokratischen Grundordnung.
Für zunächst ein Jahr wird das Land das Awo-Projekt mittragen, eine Folgefinanzierung für 2009 ist möglich. Die Gespräche mit dem Jugendamt laufen bereits, ein runder Tisch mit Polizei, Jugendamt und Vertretern der Moscheevereinen wird gerade gegründet.
Ejjiar und Stoppel wollen in Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen den direkten Kontakt zu muslimischen Jugendlichen suchen. "Wir wollen nicht missionieren", sagt Stoppel, "aber Wege aus der Hoffnungslosigkeit zeigen, um sie vor Islamisten zu schützen."