„Rate mal, wer hier ist“ — ein Enkeltrick-Opfer berichtet

Gerda E. (85) hätte um ein Haar 8000 Euro an die Täter verloren. Nur die Aufmerksamkeit einer Bankangestellten bewahrte sie davor.

Düsseldorf. Es war 9 Uhr, als bei Gerda E. das Telefon klingelte. „Rate mal, wer hier ist“, sagte die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. Gerda E. überlegte. Die Stimme klang etwas dunkler als die ihrer Bekannten Gudrun, die gerade krank zu Hause lag.

„Gudrun, bist du das?“ Die Anruferin stieg sofort darauf ein — und sagte nur zwei Sätze später, sie habe ein Problem: „Ich habe mir etwas angeschafft und ich muss bis ein Uhr 8000 Euro beim Notar hinterlegen.“ Aber an ihr Geld käme sie so rasch nicht heran, ob Gerda E. aushelfen könnte.

Die 85-Jährige hatte schon vom Enkeltrick und ähnlichen Trickbetrügereien gehört. Auch wunderte sie sich, dass die vermeintliche Gudrun nicht ihre sehr viel engere Freundin Sigrid um Hilfe bat. „Aber ich wollte unbedingt helfen“, sagt die Seniorin.

Also machte sie sich auf den Weg zur Sparkasse — wohlinstruiert von der Anruferin, dass sie dort ja nicht angeben dürfe, das Geld sei für jemand anderen bestimmt.

Zu ihrem Glück tat Gerda E. es dennoch — und die Bankangestellte reagierte prompt, rief ihren Filialleiter hinzu und er die Polizei. „Ich saß da mit einem ganz komischen Gefühl, weil ich immer noch dachte, ich tu doch das Richtige“, berichtet die Düsseldorferin. Bis sie endlich Freundin Sigrid auf dem Handy erreichte — die gerade mit Gudrun beim Einkaufsbummel war. Da war der Betrug endgültig aufgeflogen.

Gerda E. hat die Erfahrung gut verarbeitet und macht sie anlässlich des morgigen Tages des Kriminalitätsopfers öffentlich, der sich in diesem Jahr dem Thema Senioren widmet. „Ich habe über meine Dummheit gelacht“, sagt die 85-Jährige.

Aber sie hat auch gelernt. Neulich standen angebliche Mitarbeiter ihres Stromversorgers vor der Tür und behaupteten überprüfen zu wollen, ob der Strom in der Wohnung funktioniere. Die Seniorin schlug ihnen die Tür vor der Nase zu und rief bei dem Konzern an — bei dem es dann hieß, Mitarbeiter kämen grundsätzlich nie ohne Anmeldung vorbei. „Das waren auch wieder Betrüger“, sagt Gerda E.

Sie hofft, dass ihre Geschichte anderen Senioren ein Beispiel geben kann. Und das hoffen auch die Experten bei Stadt, Polizei und der Opferorganisation Weißer Ring. Denn: Auch wenn von 119 angezeigten Enkeltrick-Fällen im vergangenen Jahr 107 im Versuchsstadium steckengeblieben sind — bei den wenigen erfolgreichen Fällen ist der Schaden mitunter gleich fünfstellig.

Laut Thilo Strauch vom Opferschutz der Polizei stecken hinter den Betrügereien organisierte Banden, deren Hintermänner meist aus dem Ausland operieren, vor Ort aber ein Netzwerk aus Komplizen zum Abholen des Geldes unterhalten. Am Tag telefonierten sie bis zu 200 Namen aus dem Telefonbuch ab, die auf ein höheres Alter schließen lassen.

„Sie nutzen die Hilfsbereitschaft ihrer Opfer aus“, sagt Strauch — und jene schämten sich hinterher meist noch, suchten die Schuld bei sich selbst. Die Polizei geht deshalb auch von einer hohen Dunkelziffer nicht angezeigter Fälle aus.