Ökologischer Fußabdruck Rekordherbst am Flughafen – ist Flugscham hier ein Thema?
Düsseldorf · Die Fluggastzahlen in den Herbstferien übersteigen wieder die des Vorjahres. Dabei wird die Klimaschädlichkeit des Fliegens ständig diskutiert. Wir haben am Flughafen nachgefragt, was die Reisenden dazu sagen.
Und wieder einmal boomen die Zahlen am Düsseldorfer Flughafen. 1,4 Millionen Passagiere erwartet der Airport während der zweiwöchigen Herbstferien, die am 25. Oktober enden, ein Plus von 2,5 Prozent. Das ist eine interessante Entwicklung, wird doch die Debatte um den eigenen ökologischen Fußabdruck (der sich beim Betreten der CO2-Schleuder Flugzeug ein gutes Stück vergrößert) hitziger geführt denn je. Die Fridays-for-Future-Bewegung, angestoßen von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg, wofür manche sie nach Kräften hassen, steht im krassen Gegensatz zur Vielfliegerei. Das Wort Flugscham (Flygskam) ist aus Schweden hier herübergeschwappt, und das anscheinend zu Recht. 44 Prozent der Deutschen haben in einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft aus diesem Jahr angegeben, dass sie sich schämen, wenn sie in ein Flugzeug steigen und damit zu einer ganzen Menge Kohlendioxid beitragen.
Also, schämen Sie sich? Mit dieser ketzerischen Frage haben wir uns an einem Vormittag in den Ferien an den Düsseldorfer Flughafen begeben.
Tim Pieper (32) ist gerade mit seiner Freundin in Düsseldorf gelandet. Die beiden haben Urlaub in New York gemacht. „Wir fliegen viel und das ist auch kein Problem für mich. Man sollte sich die Welt angucken. Ich sehe eher andere Sachen als problematisch an, die Schifffahrt oder Kreuzfahrten. Da sollte mehr auf Partikelfilter gesetzt werden.“
Das ist allerdings nicht richtig, klimaschädlicher als das Fliegen ist fast nichts. Auf der Webseite des Umweltbundesamtes heißt es dazu: „Im Vergleich aller Verkehrsträger kommt aus Klimasicht das Flugzeug am schlechtesten weg. Ein Hin- und Rückflug Berlin-Mallorca beispielsweise emittiert bereits ein Drittel der Treibhausgasemissionen eines durchschnittlichen Autos pro Jahr, ein Hin- und Rückflug nach Peking kommt schon auf mehr als das Doppelte der Emissionen eines Durchschnittsautos.“
Nun gibt es auch die, die darauf aufmerksam machen, dass der Flugverkehr nur einen kleinen Teil der CO2-Emissionen ausmache. Jüngstes Beispiel: Friedrich Joussen, Vorstandsvorsitzender von TUI, der in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ betonte, dass Flüge für etwa zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich seien, ähnlich wie die kommerzielle Schifffahrt. Gemessen an der Menge des ausgestoßenen CO2 ist tatsächlich nicht das Fliegen der größte Klimakiller, sondern die Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen. Auf deren Kosten geht weltweit etwa ein Drittel.
Und doch reicht diese Argumentation vielen nicht, um ihr Gewissen zu beruhigen: Denn auf die Art und Weise, wie Strom erzeugt wird, hat der Einzelne wenig Einfluss. Darauf, wie oft er mit dem Flugzeug fliegt, aber schon. Nils Boeing (was für ein passender Name), Journalist mit dem Fachgebiet Klimaschutz bei der „Zeit“, hat es kürzlich noch mal vorgerechnet: Seine Reise nach Tokio hat 5,53 Tonnen CO2 verursacht. „Das sind 16,5 Quadratmeter arktisches Eis, die meinetwegen geschmolzen sind“, schrieb er. Er kommt allerdings auch wieder zu dem Schluss, dass die Rettung des Klimas nicht beim Individuum abgeladen werden sollte.
Britta Weidemann sieht sich dagegen schon in der Verantwortung, selbst etwas zu tun. Obwohl sie gerade mit ihren zwei Kindern, ihrem Mann und den Eltern am Düsseldorfer Flughafen steht und in Kürze nach Ibiza fliegen wird. „Ich bin selber in der Tourismusbranche tätig und Flugscham ist auch bei uns ein Thema. Auch wegen der Nachfrage von Kunden. Wir bieten zum Beispiel keine Flüge unter 500 Kilometern an.“ Auch wenn sie nicht komplett auf Flugreisen verzichtet, sie und ihre Familie haben sich im Privaten schon umgestellt: Vor einem Jahr haben die Weidemanns das Auto abgegeben, in einer Großstadt wie Köln sei das mit etwas mehr Planung, mit Fahrrad, Bahn und Carsharing machbar. „Ich will da auch als Vorbild für die Kinder handeln.“
Marie Asselmeyer (27) und Marcel Weinelt (34) sind gerade aus Palermo zurückgekommen. Das Gefühl der Flugscham kennen sie schon. Aber immerhin haben sie bei der Buchung freiwillig einen Aufpreis für den CO2-Ausgleich gezahlt. Das mache es etwas besser. Die Idee dahinter: Die durch den Flug verursachten Emissionen werden durch die Unterstützung von Klimaprojekten an anderer Stelle eingespart. „Wir fliegen vielleicht zwei Mal im Jahr“, sagt Weinelt. Niemand könne aber nicht immer hundertprozentig korrekt handeln. Beispiel: „Mein Vater ist ein ziemlicher Öko. Hat immer die Grünen gewählt. Jetzt zum 60. gönnt er sich aber eine Kreuzfahrt.“