Schaurig-schöne Totentänze
Zu Halloween sind partyfreudige Geister mit gruseligen Kostümen durch die Stadt gezogen.
Düsseldorf. Ein schriller Schrei durchbricht die nächtliche Stille, ein grelles Flackern die Dunkelheit. Schon von weitem ist zu vernehmen, dass diese Nacht den Gestalten der Unterwelt gehören wird: Zombies, Monstern und Sensenmännern, die im Schatten der Nacht lauern. An der Ronsdorfer Straße findet das Spektakel seinen Anfang, unweit des alten Stahlwerks. Hinter dem großen Holztor reihten sich Grabhügel auf, es ist finster, nur einige Grablichter spenden etwas Licht. Ein Schutzkreis auf dem Boden, ein weiterer furchteinflößender Schrei.
Im Gebäude dann hängen Spinnweben von der Decke des Ganges herunter — der zu einem der größten Sammelpunkte für grausige Gestalten in der Halloween-Nacht Düsseldorfs führt. Eine verkohlte Leiche liegt hinter einem Friedhofszaun aufgebahrt, in feurigem Rot stechen die Augen eines Totenkopfes aus der Dunkelheit hervor. Zwei Nonnen rauschen vorbei, ihre Gesichter sind mit Blut verschmiert, ihre Kutten zerrissen. Wer sie so zugerichtet hat? „Wir selbst“, sagt die eine, nimmt ihre Haube ab, setzt ihre schwarze Brille auf.
Katharina heißt sie, ist 27 Jahre jung, kommt aus Düsseldorf. Zum ersten Mal hat sie sich zu Halloween verkleidet, zum ersten Mal ist sie ins Stahlwerk gekommen. Ganz spontan sei die Entscheidung dazu gefallen, auch ihre Verkleidung sei spontan entstanden - ein altes Karnevalskostüm, eine Flasche Kunstblut. Halloween ist für mich eine gute Gelegenheit um feiern zu gehen, mehr nicht“, sagt sie, setzt ihre Haube wieder auf, lässt ihre Brille wieder in ihrer Tasche verschwinden. An Sensenmännern und Geistern vorbei geht sie zurück ins Gewimmel der Toten und Halbtoten.
Yvonne (32) ist eine dieser Halbtoten, einst Hochzeitsbraut im weißen Rüschenkleid, nun Wasserleiche getreu Ophelias Vorbild. Auch ihre Verkleidung ist selbst gemacht, mit ganz viel Dreck sei sie in der Badewanne entstanden. Eine Mehlschwitze wie man sie aus dem Kochbuch kenne sei das Geheimrezept ihres Kunstblutes, zusammen mit ein bisschen Wasser und Lebensmittelfarbe aus der Apotheke entstehe daraus eine täuschend echte Illusion. Als Halloween-Begeisterte würde sich jedoch auch Yvonne nicht bezeichnen - „es ist ganz nett, von einem Ritual aber weit entfernt“.
Zwei Tage lang liefen im Stahlwerk die Vorbereitungen, zwei Tage lang wurde dekoriert, geschmückt. „Halloween ist bei uns immer ein Großereignis“, sagt Vera Mertens vom Stahlwerk.
Ortswechsel. Auch in anderen Locations der Stadt wurde der Brauch gefeiert, versammelten sich schaurig-schön anmutende Gestalten zum Totentanz - so auch im Zakk an der Fichtenstraße. Rustikaler ist die Atmosphäre, spärlicher die Dekorierung. Hier und da hängt ein Skelett von der Decke herab, auch hier ziehen sich Spinnweben an den Wänden entlang. Ein riesiger Kürbis schaut mit flackernden Augen auf die Tanzfläche herab.
Unter den tanzenden Halbtoten befindet sich Iris van Kempen - eine blutende Frau stellt sie dar, ganz nach Steven Kings „Carrie“. Karneval finde sie abscheulich, Halloween sei ihr Ersatz. Sie verkleide sich lieber als schaurige Leiche als als lachender Clown - „das entspricht mehr meinem Stil“, sagt sie. Die Idee zu ihrem Kostüm sei dem Internet entsprungen, das Kleid eine Mischung aus alten Sachen aus dem Kleiderkoffer und fertige Sachen aus dem Kostüm-Discount. „Ich liebe Halloween, es ist eine besondere Nacht für mich, eine, wie es sie sonst nicht gibt.“