Ausstellung Schlingensief-Witwe holt Gäste aus dem Operndorf in Burkina Faso nach Düsseldorf

Düsseldorf · Aino Laberenz sagt zu ihrer Ausstellung im Off-Raum an der Ackerstraße 33: „Die Kunst ist die eigentliche Form von Rohstoff.“

Claus Föttinger gastierte im Operndorf in Burkina Faso. Im Off-Raum an der Ackerstraße 33  zeigt er eine Bar aus afrikanischen Materialien.

Foto: Ivo Faber

Das Operndorf Afrika ist ein internationales Kunstprojekt im westafrikanischen Burkina Faso, das auf die Idee des deutschen Künstlers Christoph Schlingensief (1960 - 2010) zurückgeht. Es gilt dem Austausch der Kulturen, wie er gegenwärtig auch im „Museum global“ in K 20 stattfindet. Im Studio for Artistic Research an der Ackerstraße 33 gastieren drei Stipendiaten, die im Operndorf gelebt und gearbeitet haben. Claus Föttinger schuf dort während seiner Künstlerresidenz eine große Bar mit winddurchlässigem Sonnensegel als Freiluftskulptur und kommunikatives Zentrum. Jeannette Mohr hat mit Kindern Theaterprojekte entwickelt. Und Moustapha Diop aus Dakar hat vor Ort einen Kunstfilm erstellt, der in der Ausstellung neben abstrakter Malerei zu sehen ist. Alle drei Künstler zeigen ihre Ergebnisse im Off-Raum. Zur Vernissage fand sich auch die Schlingensief-Witwe Aino Laberenz ein, die 2011 mit Susanne Gaensheimer den Goldenen Löwen von Venedig für den Deutschen Pavillon gewonnen hat. Ein Gespräch.

Frau Laberenz, haben Sie die Oberhoheit im Operndorf?

Laberenz: Ich habe die Geschäftsführung und die Leitung. Ich kontrolliere mit unserem Architekten Francis Kéré die Bauarbeiten. Zusammen mit Alex Moussa Sawadogo, unserem künstlerischen Leiter, gestalten wir das künstlerische Programm in der Schule und die Inhalte des Artist-In-Residence Programms.

Sie leben im Dorf?

Laberenz: Nein, in Berlin. Ich bin zwei bis vier Mal im Jahr dort.

Die Schlingensief-Witwe Aino Laberenz (links), Moustapha Diop aus Dakar sowie die Düsseldorfer Jeannette, Claus Föttinger und Stephan Machac vom Studio for Artistic Research im Hof der Ackerstraße 33. Die Bilder an der Wand sind von dem Afrikaner Diop.

Foto: Stephan Machac

Wer finanziert das Projekt?

Laberenz: Größtenteils private Geldgeber. Wir versuchen, Partnerschaften aufzubauen. Wir sammeln aktiv Spenden durch Aktionen wie Benefiz-Dinner. Wir verschicken Rundschreiben, so dass der Spender sieht, wohin sein Geld geht.

Und öffentliche Geldgeber?

Laberenz: Das Auswärtige Amt ist sehr stark involviert, das Goethe-Institut macht mit. Burkina Faso finanziert die Lehrer und das Krankenpersonal.

Gibt es Schulpflicht?

Laberenz: Ja, es gibt eine sechsjährige Schulpflicht für die Grundschule. Aber es gibt grundsätzlich zu wenig Schulen.

Bildung als Überlebenskampf?

Laberenz: Ja. Es ist eine andere Form der Realität als bei uns.

Wie ist die Verpflegung?

Laberenz: Wir haben eine Kantine, so dass die Kinder einmal am Tag eine warme Mahlzeit erhalten. Am Anfang war die Kantine ein wichtiger Punkt für die Eltern, ihre Kinder zu uns zu schicken.

Wie ist der Unterricht?

Laberenz: Wesentlich autoritärer als bei uns. So darf man keine Räume schaffen, damit die Kinder in der Schulzeit spielen. Daran muss ich mich halten, denn ich bin Gast in dem Land.

Ist der Unterricht besonders?

Laberenz: Unser Schulleiter ist Theatermacher, der am Ende eines jeden Schuljahrs ein Stück einstudiert. Schüler haben Animationsfilme, Fotoworkshops und Puppenspiele gemacht sowie Instrumente gebaut. Es gibt also über die Grundbildung hinaus noch eine andere Bildung.

Warum nennt sich das Projekt Operndorf? Es werden doch nicht pausenlos Opern aufgeführt?

Laberenz: Nein. Die Oper hat Christoph als Kunstform sehr geschätzt. In ihr kommen Musik, Sprache und Bühne zusammen. Es ist aber auch die elitärste Form, die nur einem kleinen Teil der Menschen zugänglich ist. Die Oper hat an Relevanz verloren. Für Christoph war es sehr wichtig, dass sie mit gesellschaftlichen Themen wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommt. Es ging nie darum, unsere Form der Oper nach Burkina Faso zu bringen. Oper gibt es dort nicht. Burkina hat aber eine irrsinnige Theaterszene, eine ganz eigene Sprache des Theaters.

Theater in einem so armen Land?

Laberenz: Man kann fast sagen, die Kunst ist die eigentliche Form von Rohstoff. In dem Sinn ist die Oper als Austausch gedacht. Man kann dort viel lernen im Miteinander-Leben.

Was ist mit den dortigen Residenzen?

Laberenz: Die Künstler aus Afrika und aus den nicht-afrikanischen Ländern leben und arbeiten stets für eine gewisse Zeit im Operndorf. Es geht um das Zusammentreffen von Kulturen, um das Teilen, den Respekt vor dem Anderen, das gemeinsame Interesse. Die Entscheidung, Künstler zu werden, ist dort sicherlich eine andere als bei uns.

Es heißt, die Impulse in der Musik kommen aus Afrika?

Laberenz: Afrika ist ein Kontinent mit einer sehr vielfältigen Kunst, ob Musik oder Tanz oder Erzählformen. Ich habe mir gerade in K 20 die Ausstellung „Museum global“ angesehen, mit der tollen Malerei. Aber wir kennen kaum Künstler aus Afrika. Wir hoffen auf einen Austausch, der über die Zeit in der Residenz hinausgeht.

Wie ist Ihr Lebensweg?

Laberenz: Wie jeder Freiberufler muss ich mich organisieren, als Kostümbildnerin reise ich viel und bin auch vom Operndorf umgeben. Da ich den Schlingensief-Nachlass betreue, habe ich einige Ausstellungen im Schlingensief-Kontext gemacht. Daher könnte ich dort nicht von Kunst reden, wenn ich keine Ahnung hätte. Ich habe zwei Mitarbeiterinnen fest in Berlin. Und es gibt in Burkina Faso feste Stellen.

Ihr nächstes Ziel in Afrika?

Laberenz: Wir vergrößern gerade die Schule. Zu den fünf Klassenräumen kommen drei dazu. Wir werden auch einen eigenen Kunstraum haben.

Die Pläne für Düsseldorf?

Laberenz: Im Studio for Artistic Research läuft die Ausstellung mit Diop, Föttinger und Mohr sowie übers Operndorf bis Ende November. Bis Weihnachten zeigt die Julia Stoschek Collection eine Portraitserie mit verschiedenen Unterstützern des Operndorfs.