„Sexualstraftäter leben meist sehr unscheinbar“

Gutachter Kurt Behrends über Sexualstraftäter.

Düsseldorf. Kurt Behrends (76) ist Arzt für Psychiatrie und Neurologie und seit etlichen Jahren am Landgericht als forensischer Gutachter anerkannt.

Herr Behrends, kann ein Sexualstraftäter nach 22 Jahren in Haft überhaupt resozialisiert werden?

Kurt Behrends: Es gibt dazu noch keine vergleichbaren Studien. Das muss man von Fall zu Fall beurteilen und Persönlichkeitsentwicklung, die Art des Missbrauchs und die Gefahrenprognose berücksichtigen. In manchen Fällen ist an der pädophilen Ausrichtung nichts zu ändern, aber eine Verhaltenskontrolle erreichbar.

Wie schätzen Sie den aktuellen Düsseldorfer Fall ein?

Behrends: Ich kenne natürlich die Akte nicht, aber wenn jemand nach 22 Jahren aus der Sicherungsverwahrung entlassen wird, ist das ein anderes Kaliber. Es muss sich in dem Fall um eine erhebliche Straftat gehandelt haben. Derjenige muss anders überwacht werden als ein Kinderporno-Konsument mit sadistischen Vergewaltigungsfantasien.

Sind solche Täter nicht auch tickende Zeitbomben?

Behrends: Eine Londoner Studie besagt, dass wegen Kinderporno-Konsums Verurteilte selten rückfällig werden. Anders sieht das bei Tätern aus, die die Schwelle vom Konsum zur Tat schon überschritten haben.

Sind diese Straftäter für die Bevölkerung zu erkennen?

Behrends: Nein, sie leben meist sehr unscheinbar, stehen nicht im Gebüsch oder lungern auf Spielplätzen herum. Es sind sexuelle Einzelgänger.

Wie halten Sie eigentlich die menschlichen Abgründe aus?

Behrends: Ich versuche, das wissenschaftlich zu begreifen und mit meiner Arbeit Schlimmeres zu verhindern.