Tanz als Ausweg aus Hartz IV
Innovative Projekte des Jobcenters richten sich an Jugendliche, bei denen sonst nichts geholfen hat. Und das mit großem Erfolg.
Düsseldorf. Das Jobcenter Düsseldorf muss sparen. Und zwar kräftig: 16,41 Millionen Euro weniger als im Vorjahr steht den Jobvermittlern für die Langzeitarbeitslosen zur Verfügung. Ein Minus von 27 Prozent.
Dennoch investiert das Jobcenter unvermindert in eine schwierige Zielgruppe: die schwer bis gar nicht vermittelbaren Jugendlichen unter 25. Für sie, die bereits in ihrem jungen Alter als hoffnungslose Fälle gelten, gibt es innovative Projekte — mit Theater, Tanz und Fußball. Und ausgerechnet diese Projekte haben durchschlagenden Erfolg: 60 bis 100 Prozent der Jugendlichen werden in Ausbildungen vermittelt.
Herr Wiglow, Sie koordinieren beim Jobcenter die innovativen Projekte für schwer vermittelbare Jugendliche. Sind Sie stolz auf den Erfolg?
Christian Wiglow: Ich bin immer wieder beeindruckt. Das Theaterprojekt „Jobact“ läuft jetzt vier Jahre, andere Städte kopieren das Modell. Und bei der Premiere des aktuellen Stücks hatten jetzt von 20 Teilnehmern schon 14 eine Zusage für einen Ausbildungsplatz.
Wer sind die Teilnehmer dieser Projekte?
Wiglow: Wir investieren 16 Prozent unserer Mittel in die unter 25-Jährigen, obwohl diese nur 6,4 Prozent unserer Kunden ausmachen. Das Angebot ist differenziert und breit. Und trotzdem gibt es eine Zielgruppe, die wir mit diesem Standardprogramm nicht erreichen. Bei dem Projekt „Anstoß ins Berufsleben“ sind 90 Prozent Migranten, fast alle männlich, wenn sie einen Schulabschluss haben, dann einen miesen. Bei „Jobact“ haben die meisten zwar einen Abschluss, aber keine Ausbildung. Sie beziehen zum Teil seit Jahren Hartz IV. Einige stammen aus Familien, die seit Generationen vom Bezug leben. Diese Jugendlichen haben zahlreiche unserer Maßnahmen durchlaufen — gebracht hat es nichts.
Und jetzt sollen sie Theater spielen oder Fußball — und so im Arbeitsmarkt ankommen?
Wiglow: Ich spreche sie über die Sache an, über ein Thema, das sie interessiert. Damit sie bei der Stange bleiben. Motiviert sind — und nicht nur, weil sonst Sanktionen drohen. Sie sollen ihre Ressourcen erkennen, wieder Zuversicht lernen, Erfolge haben. Zudem sind sie in Vollzeit beschäftigt, raus aus ihrer Wohnung und dem Umfeld, sie agieren in einer Gruppe.
Wie kommt der Kontakt zu potenziellen Ausbildern zustande?
Wiglow: Die Anbieter der einzelnen Projekte sind gut und sehr breit vernetzt. Sie vermitteln die Teilnehmer während des Projekts in Praktika. Zudem gibt es Bewerbungstrainings, Nachhilfe in Schulfächern, wenn es nötig ist. Ganz klar: Wir sind für Arbeitsmarktpolitik zuständig, nicht für Kultur und Sport.
Wie kontrollieren Sie den Erfolg der Maßnahmen?
Wiglow: Uns interessiert die Nachhaltigkeit. Wir schauen uns die Teilnehmer ein halbes Jahr nach dem Projekt nochmal an, manche auch ein Jahr später: Diejenigen, die vermittelt wurden, sind auch dann in der Regel noch in Arbeit, Ausbildung oder machen die Schule zu Ende. Die Nachhaltigkeit ist sehr hoch.
Das Jobcenter muss aktuell massiv sparen. Wie sieht die Perspektive für diese Jugendprojekte aus?
Wiglow: Die Möglichkeiten, mehr zu machen, sind finanziell stark eingeschränkt. Und 2012 wird sich diese Lage noch verschlechtern. Wir wollen die Projekte aber auch nicht unbegrenzt ausweiten, sie sind ja für eine sehr spezielle Zielgruppe gemacht. Aber akut bedroht sind die Projekte mit ihrem hohen Integrationserfolg nicht. Wir haben hier Kunden, die seit 30 Jahren Sozialleistungen beziehen. Wenn wir es bei diesen Jugendlichen jetzt nicht hinbekommen, wie sollen wir es dann später noch hinbekommen? Es ist eine Investition in den Menschen. Aber auch in den Wirtschaftsstandort Düsseldorf. Denn der braucht Fachkräfte. Mehr und mehr.