NRW So ist die Lage in der Ostparksiedlung

Gerresheim · Die Katastrophe ist noch nicht bewältigt, aber die Situation ist besser. Die Hilfsbereitschaft ist groß, sogar ein Koi wurde gerettet.

Das Hochwasser hat die Ostparksiedlung noch immer im Griff. Fabrice van Bragt hat am Freitag mit Unterstützung von Nachbarn damit begonnen, sein Elternhaus vom Wasser zu befreien.

Foto: Uwe-Jens Ruhnau

„Guten Morgen, das meine ich heute wirklich so“, sagt Jürgen Krause, „als ich heute früh aus dem Fenster schaute und der Garten war nicht abgesoffen, dachte ich: Endlich!“ Die Lage zwei Tage nach der großen Regennacht ist in der Ostparksiedlung besser, aber noch keinesfalls gut. Es ist zum Glück nicht schlimmer geworden, der Düsselpegel sinkt, die unmittelbare Bedrohung schwindet. Aber noch immer stehen an diesem Freitag zahlreiche Häuser oder Keller unter Wasser. Die Menschen sind müde, erschöpft, aber sie bauen sich gegenseitig auf und die Hilfsbereitschaft ist sensationell. „Das ist überwältigend, absolut positiv“, sagt Patrick Kull. Mehr als 7000 Sandsäcke haben die Bewohner selbst abgefüllt, um den Deich der Düssel zu stützen, einer von ihnen ist Polier in einer Baufirma und hat tonnenweise Sand per Lkw herbeigeschafft.

80 Prozent der insgesamt
120 Häuser sind fest bewohnt

Kull bereitet gerade seinen Einzug in den Kleingartenverein vor, es wird saniert und renoviert. Der Verein in der Ostparksiedlung ist besonders, er gilt als Zeitanlage, 80 Prozent der insgesamt 120 Häuser sind fest bewohnt. Kull zieht mit seiner Partnerin ein, die im Gerresheimer Krankenhaus mit der Vermieterin Elke Severit arbeitet. Severit lebt im Anbau, Kull macht vorne das Haus fertig. „Wir hatten deswegen Möbel in den Keller und in die große Garage gestellt“, sagt Elke Severit. Alles stand oder steht im Wasser, im Keller, der richtig vollgelaufen ist, sind Waschmaschine, Trockner, Kühlschrank und Tiefkühler untergebracht. Sie haben wohl nur noch Schrottwert. Wo solche Geräte nicht geflutet wurden, taut alles auf – die Siedlung bleibt ohne Strom, bis alle Häuser leergepumpt sind. Auf dem Platz vor der Vereinsgaststätte wird am Mittag ein Grillabend diskutiert – sonst bleibt wohl nur noch das große Wegwerfen.

Marie Buschhausen hat Glück im Unglück gehabt. Die 26-Jährige ist in der Siedlung aufgewachsen und nach ein paar Jahren in Ober- und Unterbilk mit ihrer Partnerin zurückgekehrt. Als die Düssel sich in die Siedlung ergoss, lief der Wasserstrom um das Nachbarhaus auf ihre Parzelle zu. „Ich habe fast einen Nervenzusammenbruch bekommen“, sagt sie. Nachbarn waren flugs zur Stelle, schafften Bretter, Sandsäcke etc. herbei und bauten einen Damm, sodass das Schlimmste verhindert wurde. „Die Hilfsbereitschaft ist einmalig“, sagt Buschhausen, die in ihr Haus über eine Leiter und durch ein Fenster gelangt. Die Eingangstür ist noch mit Silikon abgedichtet. Es fehlte nur ein Millimeter und alles wäre überschwemmt worden, viele Möbel waren schon hochgestellt. Ein Glück ist, dass die neuen Wegeplatten noch nicht ums Haus gelegt waren, das Wasser konnte einsickern und sich besser verteilen.

Den Lidl an der Dreherstraße haben die Leute aus der Siedlung teilweise leergekauft, Mülltüten sind jetzt Mangelware. Man hilft sich mit Pumpen und Schläuchen aus, Trupps ziehen von Haus zu Haus, um abzupumpen. Sehr dankbar ist man im Kleingartenverein den Menschen der übrigen Ostparksiedlung. Diese beiden Einheiten stellen sonst zwei Welten dar, man kannte sich kaum. Jetzt wird mit angepackt und Kaffee gebracht. Großes Lob sprechen die Menschen auch drei jungen Männern aus Friedrichstadt aus, die keiner kannte. „Sie kamen mit großen Armeerücksäcken voller Powerbanks und Taschenlampen“, sagt Marie Buschhausen, „sie wussten, dass wir keinen Strom haben und wollten uns helfen.“ Nur dank dieser Unterstützung laufen die Handys noch.

In der Not zeigt sich Charakter. Das gilt auch für die Zuwendung des Menschen Tieren gegenüber. Durch die Siedlung zog, als der Regen immer stärker wurde, eine Prozession der Käfigträger. „Die Leute haben ihre Meerschweinchen, Kaninchen oder Echsen in Sicherheit gebracht“, sagt Marie Buschhausen. Sie selbst trug ihre beiden Hunde in trockenere Gefilde, die Vierbeiner sind jetzt bei Freunden. Schildkröten wurden auf höher gelegenen Grundstücken in Sicherheit gebracht, ebenso mehrere Igel. Fabrice van Bragt ist ein Fischfreund und hat in seinem Garten ein 20 000 Liter-Becken, in dem er zehn Koi-Karpfen hält. Er wurde gerufen, als Bekannte in der Unterführung am Siedlerweg einen Koi-Karpfen fanden, der offensichtlich aus einem Gartenteich durch die Fluten herausgespült worden war. Das 54 Zentimeter große Prachtexemplar, ein Schoko Chagoi, hatte auch Öl abbekommen und schwimmt jetzt einige Tage in einem Quarantänebecken. Alle Geschöpfe sollen diese Katastrophe möglichst heil überstehen. Nicht die schlechteste Einstellung.

Info-Point Die Stadt hat in der Grundschule Unter den Eichen 26 einen Info-Point speziell für die von Hochwasserschäden betroffenen Menschen eingerichtet. Dort beraten Mitarbeitende mehrerer Fachämter zur Rückkehr in die Wohnung, Unterbringung und Sicherheit und stellen auch Kontakte her. Der Info-Point ist täglich – auch an diesem Wochenende – von 9 bis 22 Uhr geöffnet.