"Die Welt, die uns zu Füßen liegt, ist keine einladende"
Stadtteilchen: Hundehaufen, Kaugummireste, Zigarettenkippen und mehr: WZ-Autor Hans Hoff hat sich daran gewöhnt, Slalom zu gehen.
Düsseldorf. Ich schaue gerne in den Himmel. Besonders, wenn die Sonne scheint. Aber dann gibt es da auch Tage wie diese. Es regnet, es nebelt, es ist kalt. Keine Hoffnung auf Besserung. Das trübt den Geist und lenkt den Blick nach unten. Auf den Boden der Realität.
Düsseldorf ganz unten ist der Grund auf dem wir stehen, und wenn ich ganz ehrlich bin, ist es kein Grund, hier länger zu verweilen als unbedingt nötig. Der Boden in Düsseldorf ist befleckt. Vielfach. Befleckt und bekleckert. Kein Kind würde man so auf die Straße lassen. Aber die Straße muss so raus wie sie ist. Schmutzig, grau und wenig einladend. Die Welt, die uns zu Füßen liegt, ist keine einladende. Eher eine abschreckende.
Dabei rede ich noch nicht einmal von Tretminen, die nachlässige Hundebesitzer hinterlassen. Ja, ich sage bewusst nicht, dass die Hunde etwas hinterlassen. Es sind jene, denen Tiere anvertraut sind. Die haben sie im besten Fall angeleint, aber die Verbindung zu ein bisschen Verantwortungsgefühl daheim im Körbchen gelassen.
Also machen die Hunde genau dorthin, wo sie gerade hocken, und Frauchen und Herrchen schauen weg und zerren ihr armes Tier weiter. Weg vom Haufen. Sollen sich doch andere um den kümmern. Ich zahle schließlich Hundesteuer. Und zwar nicht zu wenig.
Nun bin ich es gewohnt, als Folge solch asozialen Verhaltens auf den Straßen Slalom zu gehen. Das trainiert. Man muss das auch einmal positiv sehen. Hier ein Häufchen rechts, dort eine Hinterlassenschaft links, das erfordert den ganzen Mann, da muss man ständig alert sein. Das stählt den Körper, die Gelenke, die Bänder. Ich wage mal die Theorie, dass jemand, der täglich auf Düsseldorfs Straßen schnell spazieren geht, durchaus gute Chancen bei der nächsten Ski-WM hätte. Aber es ist nicht allein das tierische Erbe, das Düsseldorfs Straßen so hässlich macht.
Es sind auch die Raucher, also diese armen gebeutelten Wesen, die seit der Einführung entsprechender Gesetze zunehmend in Freilandhaltung anzutreffen sind. Sie drängen sich vor Hauseingängen, sie bibbern, es sind bemitleidenswerte Geschöpfe. Mein Mitleid setzt indes aus, wenn ich sehe, wie Raucher die Reste ihrer Glimmstängel lässig auf den Boden werfen, austreten und weitergehen als wäre nichts gewesen. Soll sich doch die Awista kümmern, denken sie wohl. Wenn sie denn denken. Ich denke ja, dass sie gar nicht denken, dass sie einfach jahrzehntelange Routine praktizieren.
Aber es sind nicht nur die Kippen und Tabakreste, die sich in die Ecken und Fugen auch des schönsten Pflasters fressen, es sind diese hässlichen Flatschen, es sind die Kaugummireste. Gedankenlos ausgespuckt marmorieren sie das Pflaster, lassen es wirken, als habe man drauf geschossen. An manchen Stellen sieht es schon aus, als habe der Boden Masern. Die Kaugummi-Spucker sind nicht zu bremsen. Sie „verschönern“ jeden Boden, sie machen nicht Halt vor dem angeblich schicken neuen Altstadtparkett, sie verschonen auch die Pflasterwellen am Rheinufer nicht.
Überall sind diese Flecken. Und die gehen nicht mehr weg. Vielleicht sollte man den Gedanken an schicke Bepflasterung mal ganz beiseite lassen und einfach warten, bis die Kaugummi-Ablader den Boden komplett erobert haben, bis Düsseldorf eine einzige Kaugummifläche ist. Hart im Winter, klebrig weich im Sommer. Wenn dann noch ein bisschen Taubendreck dazukommt, ist das Erlebnis von aktiv gelebter Verwesung perfekt. Düsseldorf untenrum ist nicht schön.
Das einzige, was da hilft, ist der Frühling. Wenn die Bäume sprießen und der Himmel leuchtet, vergesse ich die Welt unter mir. Frühling ist ein guter Unterstützer der Stadtschönheit. Wenn es oben blüht, ist das Auge beschäftigt. Dann gilt wieder: Die da unten sieht man nicht.