Ständehaus-Treff: Auf sechs Zigaretten mit Helmut Schmidt
Fast eine Stunde parlierte der Altkanzler über die Euro-Krise, China — und das Rauchen.
Düsseldorf. Die Menschen hängen ihm an den Lippen. Dass er manchmal auch nur Selbstverständlichkeiten formuliert, tut seiner Beliebtheit keinen Abbruch — Helmut Schmidt ist eine lebende Legende. Das merkte auch Axel Pollheim, Organisator des Ständehaus-Treffs, bei der 50. Auflage am Montagabend. Selten war die Nachfrage so groß, Gastredner Helmut Schmidt wollten alle sehen. Rund 550 Gäste kamen — auf sechs Zigaretten mit dem Altkanzler.
Genau so viele rauchte der 93-Jährige, nachdem Moderator Giovanni di Lorenzo die neue Saalordnung bekannt gegeben hatte: Rauchen sei „erst ab 90 Jahren erlaubt“, so stand es sogar auf einem Schild geschrieben, das der Zeit-Chefredakteur herumzeigte.
Lange drehte sich das Gespräch um die großen Fragen der Weltpolitik. Nach der sechsten Zigarette aber bekannte Schmidt dann noch, dass es ihm „lästig“ sei, ein Vorbild zu sein — auch, weil er öfters aufgefordert werde, das Rauchen sein zu lassen. „Ich finde das sehr lästig. Ich tue es aber nicht“, sagte er. Und auf die Frage, ob es einen Ort gäbe, wo er nicht rauchen würde: „Ich würde in einer Kirche nicht rauchen, aber deshalb gehe ich auch ganz, ganz selten in eine.“ Lautes Gelächter unter den Zuhörern.
Zu Fragen der aktuellen Politik lässt sich der Altkanzler in der Öffentlichkeit eigentlich nicht ein. Dennoch schaffte es Di Lorenzo, ihm so manches Statement zu entlocken. Was wohl auch deshalb gelingen mochte, weil sich beide schon lange kennen: Schmidt ist Mitherausgeber der Zeit — und Di Lorenzo Autor der bekannten Kolumne „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“.
Und so kommentierte Schmidt die Politik von Kanzlerin Angela Merkel in der Euro-Krise („Sie hat nichts Falsches gemacht, aber noch nicht die andere Hälfte dazu getan: Hilfen für ein strukturelles Wachstum“), den Ruf nach militärischem Einschreiten des Westens in Afghanistan, Libyen oder Syrien („Ich sehe viele Tote, aber keine Fortschritte) und das drohende Verschwinden der FDP („So, wie sich die Partei zurzeit darstellt, würde ich es nicht bedauern“).
Auf die indirekte Frage, ob CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen sich klar zur Landespolitik bekennen und auf eine Rückfahrkarte nach Berlin verzichten müsse, winkte Schmidt dann aber doch ab: „Jetzt sind wir wirklich bei der Tagespolitik.“
Immerhin: Es gab noch ein Kompliment für Joachim Gauck, den Schmidt zwei Tage vor dessen Wahl zum Präsidenten getroffen hatte: „Er machte den Eindruck eines normalen Menschen — und das ist eine ganze Menge.“ Auch einen Seitenhieb auf Vorgänger Christian Wulff konnte sich Schmidt nicht verkneifen: Er sei wohl zu jung und unerfahren für das Amt gewesen.
Lange kreiste das Gespräch dann um Schmidts Lieblingsthemen: die deutsche Verantwortung für Europa und das Erstarken Chinas. So verriet der Altkanzler, dass er bald ins Reich der Mitte und auch nach Singapur reisen werde, um sich selbst ein Bild der Entwicklung zu machen.
Nach fast einer Stunde war dann die letzte Zigarette geraucht — und die letzte Frage gestellt: Der 50. Ständehaus-Treff war gleichzeitig der letzte für Di Lorenzo. Nachfolger wird Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart. Sein erster Auftritt ist am 14. Mai mit Daimler-Chef Dieter Zetsche als Gast — der ist übrigens „Nichtraucher des Jahres 2007“.