Stiftung gibt Millionen für die Wissenschaft
Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt weltweit Projekte. Jetzt wird sie als Wissenschaftsstiftung des Jahres 2017 ausgezeichnet.
Düsseldorf. Ob im syrischen Aleppo, in Mali oder Nepal: Dort, wo durch Krieg, Erdbeben oder andere Naturkatastrophen Kulturdenkmäler bedroht sind oder bereits zerstört wurden, wird die Gerda Henkel Stiftung tätig. Und unterstützt zahlreiche Wiederaufbau-Projekte, finanziert die Arbeit von Historikern, Kunst- und Rechtshistorikern, Islamwissenschaftlern und Archäologen.
„Jährlich kommen rund 300 neue Projekte in Deutschland und weltweit hinzu. Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 1300 Projekte in der Förderung“, erklärt Michael Hanssler. Der promovierte Historiker ist seit 2003 Vorstand, seit 2008 Vorsitzender des Vorstands der Gerda Henkel Stiftung und führt gemeinsam mit Angela Kühnen die Geschäfte einer der renommiertesten Stiftungen der Republik. Mit Sitz an der Malkastenstraße 15 — dort, wo einst auch Gerda Henkel lebte.
Die Gerda Henkel Stiftung wird nun ausgezeichnet als „Wissenschaftsstiftung des Jahres 2017“. Die Deutsche Universitätsstiftung und die Wissenschaftliche Buchgesellschaft ehren die Stiftung mit diesem Preis, der am 3. April in München verliehen wird, für ihre internationale Förderung der Geisteswissenschaften, für den Erhalt von Kulturgütern und ihre Unterstützung gefährdeter Wissenschaftler aus Krisengebieten. Denn sie hat 2016 nicht nur die Arbeit von Forschern in 38 Ländern unterstützt, sondern auch mehr als 50 Promotionsstipendien für junge Wissenschaftler vergeben. In der 40-jährigen Stiftungsgeschichte unterstützten sie bisher 1200 Doktorand(inn)en. Einige Stipendien gingen auch an den geisteswissenschaftlichen Nachwuchs der Heinrich-Heine-Universität.
Afrika, Asien und der Nahe Osten liegen in diesen Jahren dem namhaft besetzten Beirat und Kuratorium besonders am Herzen. Drei Projekte stehen stellvertretend für den weitgreifenden Aktionsradius: Als Sicherungsmaßnahme für ein einzigartiges Kulturerbe der Menschheit sehen die Stiftungsgremien ihr Engagement in Mali. Als islamistische Gruppierungen 2012 die nördlichen Teile Malis besetzten, konnten die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Handschriften Timbuktus gerettet werden. In der malischen Hauptstadt Bamako restaurieren, digitalisieren und erforschen malische Experten und Wissenschaftler der Universität Hamburg die Manuskripte gemeinsam.
2016 legte die Stiftung ein „Soforthilfeprogramm für Syrien“ auf. Wissenschaftler erhalten in diesem Rahmen Stipendien und können Projekte im Bereich Kulturerhalt in Syrien und seinen Nachbarländern durchführen. Ein Beispiel ist der Basar von Aleppo. Syrische und deutsche Forscher entwickeln virtuelle Pläne als Voraussetzung für einen möglichen Wiederaufbau.
Aber, so Hanssler: Die Entscheidung darüber muss eines Tages das syrische Volk fällen. „Wir müssen den Eindruck vermeiden, dass wir in Deutschland vom Grünen Tisch aus Pläne entwerfen, die nicht den Vorstellungen der syrischen Bevölkerung entsprechen.“ Diplomatisches Fingerspitzengefühl ist gefragt. Und Vorsicht, denn einige syrische Forscher dürfen aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden.
Eine andere Situation herrscht in Nepal: Den Erdbeben im April und Mai 2015 fielen Tausende Menschen zum Opfer und zahlreiche Tempel im ganzen Land. Das Auswärtige Amt und die Gerda Henkel Stiftung brachten daraufhin eine Nepal-Initiative auf den Weg.
„Mit Partnern vor Ort arbeiten wir daran, dass die Götter wieder ein Dach über dem Kopf haben“, so Michael Hanssler. Gefragt seien in erster Linie Steinmetze und Tischler, die die alten Techniken beherrschen. Die Wiedererrichtung der Tempel sei kunsthistorisch bedeutend. Auch für den Kulturtourismus.
„Die Einnahmen sind für das wirtschaftliche schwache Land genauso wichtig wie der Alpintourismus in der Himalaya-Region.“
Unter den bundesweit mehr als 21 000 Stiftungen zählt die Stiftung, die vor 40 Jahren Lisa Maskell in Erinnerung an ihre Mutter Gerda Henkel gründete, zu den großen privaten Fördereinrichtungen. Gemessen wird das an der Finanzkraft: Bei einem Kurswertvermögen von 863 Millionen Euro am 31.12.2016 hat die Stiftung im letzten Jahr Fördermittel in Höhe von rund 17 Millionen Euro bewilligt.
Das Vermögen ist überwiegend in gebundenen Henkel-Stammaktien angelegt. Seit 20 Jahren sind diese um jährlich 12,9 Prozent gestiegen.
Zum Vergleich: Der Deutsche Aktienindex erzielte im gleichen Zeitraum 7,6 Prozent, deutsche Bundesanleihen lediglich 4,8 Prozent pro Jahr.
Im Zwei-Jahres-Turnus wird zusätzlich zu den vielen Förderprojekten der Gerda Henkel Preis an Geisteswissenschaftler verliehen. Mit 100 000 Euro dotiert, gehört er zu den höchstdotierten Forschungspreisen für die Geisteswissenschaften in Deutschland. Im November 2016 erhielt ihn die australisch-britische Geschichtsprofessorin aus Oxford Lyndal Roper für ihre 732-Seiten-Biografie „Der Mensch Martin Luther“, die in kurzer Zeit zu einer der bedeutendsten Neuerscheinungen im Luther-Jahr avancierte.