Altstadt Streifzug durch die junge Kneipen- und Künstlerszene
Die Nachkriegs-Fotos von Nic Tenwiggenhorn zeigen eine Altstadt mit einem Ratinger Hof — ohne Kultstatus.
Düsseldorf. Nic Tenwiggenhorn (Jg. 1937) wurde einer der großen Fotografen des 20. Jahrhunderts — wie eine noch bis Sonntag laufende Ausstellung im Museum Kunstpalast zeigt. Er gilt als Szene-Fotograf, der von Beuys bis Palermo, Polke bis Imi Knobel die Hauptakteure ablichtete. Aber es gab eine Zeit vor diesen für ihn typischen Bildern. Sie lag in den 1950er Jahren, als Tenwiggenhorn nach Abitur und Wehrdienst jobbte, um sich sein Geld für einen der heiß begehrten Studienplätze im Nachkriegsdeutschland zu verdienen. Eine Künstlerszene gab es noch nicht. „Ten“, wie ihn die Freunde später nannten, jobbte als Lastwagenfahrer für eine holländische Firma und fuhr kreuz und quer durch Deutschland. Die freien Sonntage aber verbrachte er in Düsseldorf. Dort porträtierte er eine eher unscheinbare, kleine Stadt namens Düsseldorf.
„Es lag damals alles am Boden, auf der Mühlenstraße gab es einen Schrottplatz, viele Häuser waren noch Ruinen“, erzählt er. Mit der Kamera in der Westentasche „strolchte“ er durch die Gegend, immer rund um die Kunstakademie, die ihn schon damals interessierte, obwohl er keinen Künstler kannte. „Der Ratinger Hof war eine bürgerliche Klitsche. Erst in den 1970er Jahren bekam dieses Lokal Kultstatus. Die Pinte sah zunächst armselig aus und war von Ruinen umgeben“, berichtet der Fotograf.
Eine andere Lokalität war die Uel, in der Tenwiggenhorn früh um 7 Uhr aufkreuzte. In dieser Altstadtkneipe hielten sich schon bald Akademiestudenten und Altstadtgänger auf. Julian Schnabel, ein berühmter amerikanischer Künstler, kannte den Blinky Palermo, auch er eine Kultfigur. So verwundert es nicht, dass nach den Berichten von Tenwiggenhorn dieser Julian Schnabel, dessen Bilder heute extrem hoch im Preis liegen, einst als Koch in der Uel seinen Lebensunterhalt verdiente.
1954 eröffnete der legendäre Kneipengründer Otto Schuster als erstes seiner Lokale — noch vor dem „Csikos“ — die Kreuzherrenecke als Schnapsausschank an der Altestadt. Dort gab es 80-prozentigen Schnaps aus Polen, den die ausgehungerten Künstler in ihre leeren Bäuche kippten. Die Aufnahme von Tenwiggenhorn zeigt eine der vielen Nonnen, die im Ursulinenkloster lebten und über das Kopfsteinpflaster liefen.
1960 wurde das Dreischeibenhaus von Helmut Hentrich für die Phoenix-Rheinrohr AG, Vereinigte Hütten- und Röhrenwerke, errichtet und im Jahr 1964 von der Thyssen AG übernommen. Vom Kö-Bogen war noch nichts zu spüren, Christoph Ingenhoven wurde erst 1960 geboren.