Gefahren im Rhein Strömungsretter proben Ernstfall und warnen vor Schwimmen im Rhein
Düsseldorf · Allein dieses Jahr sind bereits drei Menschen im Rhein gestorben. Wasserschutzpolizei, Feuerwehr, DLRG und Wasserwacht arbeiten bei Einsätzen in enger Abstimmung.
Ende Juni. 30 Grad. Sommerfeeling pur. Der junge Mann, ein guter Schwimmer, will sich im Rhein abkühlen. Dabei entfernt er sich zu weit vom Ufer und wird von der Strömung mitgerissen. Die Menschen am Paradiesstrand halten seine verzweifelt in die Luft gereckten Arme für einen Gruß und winken lachend zurück. Zufällig beobachtet die Wasserschutzpolizei das Szenario bei einer Routinefahrt und schätzt das Verhalten des jungen Mannes als das ein, was es ist: den Kampf um Leben und Tod. Sie können ihn retten und wieder sicher an Land bringen. Dies ist nur einer von bislang sieben Badeunfällen seit Ferienbeginn.
„Grundsätzlich ist das Schwimmen im Rhein nicht verboten“, erklärt Markus Klötter, Hauptkommissar bei der Wasserschutzpolizei. Der Fluss und seine Uferzonen sind öffentliches Gelände. Und die Möglichkeiten, ein generelles Badeverbot, beispielsweise durch die Stadt Düsseldorf, auszusprechen, sind begrenzt, da hier auch die Länder ein Mitspracherecht haben. „Grundsätzlich gilt: In einem Radius von 100 Metern vor und nach Hafeneinfahrten, Schleusen, Werften und Brückenpfeilern, darf nicht geschwommen werden“, ergänzt Hauptkommissar Klötter. Untersagt ist das Schwimmen allerdings auch zwischen Rheinkilometer 743 (Höhe des Hafens) und 747 (Höhe Rheinterrasse) auf der Altstadtseite.
Tatsächlich gingen nur selten Menschen von dort ins Wasser. „Vereinzelt mal als Mutprobe oder unter Alkoholeinfluss. Das liegt wohl auch an dem nicht gerade einladenden Ufer“, meint Klötter. Anders sei es beispielsweise am Paradiesstrand, „gerade an warmen Tagen hochfrequentiert“ oder den Uferzonen von Niederkassel und Lörick. „Die Leute unterschätzen die Gefahren besonders an den Kribben, die Strudel bilden, die selbst geübte Schwimmer unter Wasser ziehen können“, warnt der Experte. Tatsächlich ist das Betreten der Kribben (auch Buhnen genannt), künstlich angelegten Wasserbauten, die eine konstante Fließgeschwindigkeit des Rheins gewährleisten sollen, verboten.
Schon im seichten Wasser kann es gefährlich werden
Eine weitere Gefahr geht von der Schifffahrt aus. „So ein Schiff schiebt zum einen eine Bugwelle vor sich her, die an die Ufer schwappt. Zum anderen fließt das verdrängte Wasser am Heck wieder zusammen“, beschreibt Klötter das, was kleine Kinder und Hunde schon im seichten Wasser und Erwachsene, die zu weit ins kühle Nass gehen, mit dem so entstehenden Sog in die Strömung zieht. „Eltern sollten immer alarmiert sein, selbst wenn ihre Kleinen in Ufernähe planschen und dabei hinfallen, sobald sich ein Schiff der Bucht nähert“, warnt der Hauptkommissar.
Mit 20 Kollegen arbeitet er im Hafen in zwei Schichten. Verwaltet wird die Wasserschutzpolizei Düsseldorf tatsächlich von Duisburg aus. Wer sich für den Aufgabenbereich spezialisieren möchte, muss neben fünf Jahren Berufserfahrung als Polizist noch vier weitere Ausbildungsjahre dranhängen.
Was passiert, wenn in der Leitstelle der Notruf eingeht, jemand treibe im Wasser – in der Amtssprache heißt das „Person im Rhein“ –, zeigten die Strömungsretter der Feuerwehr kürzlich am Robert-Lehr-Ufer. Unterhalb der Theodor-Heuss-Brücke, bei einer Übung. Der Einsatz läuft nach festgelegten Regeln ab. Dabei arbeiten die Wasserschutzpolizei, die Strömungsretter der Feuerwehr, die DLRG und die Wasserwacht Hand in Hand. Sie werden bei einer Rettung an neuralgischen Punkten positioniert. „Deshalb ist es immer hilfreich, wenn bei einem Notruf die Rheinkilometer angegeben werden, die auf den großen Schildern entlang der Ufer stehen“, erklärt Christopher Schuster von der Feuerwehr. In vielen Fällen kommt auch ein Hubschrauber zum Einsatz.
Bereits 30 Einsätze im ersten Halbjahr
Für die Übung mimt Dirk Kolb, seit rund 20 Jahren bei der Feuerwehr, das hilflos im Wasser treibende Opfer, das von den Kollegen geborgen werden muss. 20 Grad hat der Rhein an diesem Tag. Wind und Strömung sind stark. Spätestens nach 15 Minuten würden einen im Fluss treibenden Menschen unter diesen Bedingungen die Kräfte verlassen. Flankiert werden die Retter von einem DLRG-Boot. Kolb ist mit einem Seil gesichert, trägt einen wasserdurchlässigen Helm, Neoprenanzug und eine Spezialweste.
Simuliert werden für das Training drei mögliche Szenarien: Neben der von der Strömung mitgerissenen hilflosen Person, ein Schwimmer, der kraftlos aber ansprechbar Richtung Ufer treibt, sowie ein Mensch, der sich an einem Bootssteg festklammert und geborgen werden muss. Für die Bergung von Dirk Kolb verwenden seine Kollegen eine Art Matte, die unter seinen Körper geschoben wird, sodass er durch eine rollende Bewegung in das Schlauchboot gezogen werden kann.
Alle Taucher der Feuerwehr sind gleichzeitig Strömungsretter, die nicht nur im Rhein, sondern auch an Bade- und Baggerseen eingesetzt werden. „Getaucht wird im Rhein in der Regel nicht“, erklärt Christian Ruda, Leiter und Ausbilder der 1977 gegründeten Taucherstaffel. „Wenn Taucher im Einsatz sind, geht es nur noch um die Bergung einer Leiche, nicht um die Rettung einer Person“, führt er weiter aus. Ein- bis zweimal pro Woche wird trainiert. Solche Übungseinsätze wie an diesem Tag, werden 15 bis 20 Mal pro Jahr durchgeführt. Jeder Strömungsretter muss außerdem mindestens 50 Tauchgänge pro Jahr absolvieren.
Im Durchschnitt rücken die derzeit in Düsseldorf stationierten 41 Strömungsretter von ihrer Wache auf der Hüttenstraße zu 60 bis 70 Einsätzen im Jahr aus. Im ersten Halbjahr 2020 waren es jedoch bereits 30, dabei kam in drei Fällen jede Hilfe zu spät. Nicht nur die Feuerwehr, auch Hauptkommissar Markus Klötter führt dies unter anderem auf den Corona-bedingten eingeschränkten Betrieb der Schwimmbäder zurück. „Der Rhein oder die Baggerseen sind da eine verlockende Alternative“, meint er. Aber der Hauptkommissar kann auch eine Sensibilisierung der Menschen für die Gefahren feststellen, die das Schwimmen im Rhein mit sich bringen. „Wir werden öfter angerufen. Allerdings erleben wir entsprechend häufiger, dass die vermeintlich hilflose Person längst wieder aus dem Wasser raus ist, wenn wir am Einsatzort eintreffen“, sagt Klötter. „Besser einmal zu viel angerufen, als einen Menschen ertrinken zu lassen.“
Am Wochenende helfen Ehrenamtler mit
Die Wahrnehmung vom Ufer aus sei mitunter auch anders als auf dem Wasser. So geschehen Ende Juni, als sich ein vermeintlich von einem Schlepper überfahrener Schwimmer auf seiner Luftmatratze als Baumstamm entpuppte.
Unterstützt werden Feuerwehr und Wasserschutzpolizei durch die ehrenamtlichen DLRG-Helfer. Die sind von freitags bis samstags an mehreren Standorten, darunter Lörick und Himmelgeist in Bereitschaft. Wenn sie nicht zu einem Einsatz ausrücken, sind sie bei sehr heißem Wetter auch mit dem Fahrrad in den Uferbereichen unterwegs, um auf die Gefahren des Schwimmens im Rhein aufmerksam zu machen.
„Man wird die Leute nicht davon abhalten können, bei hohen Temperaturen ins Wasser zu gehen“, ist Hauptkommissar Klötter überzeugt. Doch was tun, wenn die Katastrophe eintritt und ein Schwimmer in Not gerät? „Auf jeden Fall nicht gegen die Strömung ankämpfen, dabei kann man nur verlieren. Ruhe bewahren, sich treiben lassen und versuchen, in Ufernähe zu bleiben“, rät Christopher Schuster von der Feuerwehr. Und an die, die das vom Ufer aus beobachten, appelliert er: „Bitte nicht hinterherspringen und einen Rettungsversuch starten, sondern sofort den Notruf 112 wählen und möglichst genau den Standort der Sichtung angeben.“