Theater Theaterpremiere: Dürrenmatts Abrechnung mit dem Krimi-Genre
Friedrich Dürrenmatts „Versprechen“ ist jetzt im Central zu sehen.
Düsseldorf. Die neunjährige Gritli Moser wird in der Nähe eines Schweizer Dorfes tot aufgefunden. Schnell können sich die Dorfbewohner auf einen Täter einigen, der nach einem zermürbenden 20-Stunden-Verhör gesteht und sich danach das Leben nimmt. Einzig der kauzige Kommissar Matthäi ist sich sicher, dass der beschuldigte Hausierer mit dem Mord nichts zu tun hatte. Er beschäftigt sich gegen den Willen seines Vorgesetzten weiter mit dem Mordfall. Ob er Recht behält und den wahren Mörder tatsächlich ermitteln kann?
Die Handlung von „Das Versprechen“ strotzt nicht unbedingt vor Kreativität und erfindet das Genre des Kriminalromans beileibe nicht neu. Doch das war von Autor Friedrich Dürrenmatt genau so gewollt. 1958 entsteht der Roman aus der Drehbuchvorlage zum Kinoerfolg „Es geschah am hellichten Tag“ mit Heinz Rühmann als Kommissar Matthäi. Dürrenmatt war über den Film wenig glücklich und lieferte kurz nach Filmstart „Das Versprechen“ in Buchform hinterher - mit anderem Schwerpunkt und Ausgang.
„Um ehrlich zu sein, ich habe nie viel von Kriminalromanen gehalten, reine Zeitverschwendung“, heißt es direkt zu Beginn der Erzählung. „Das Versprechen“ bleibt dem Filmskript und dem gescholtenen Genre zwar über weite Strecken treu, bricht aber vor allem zum Ende hin genüsslich mit den auch heute noch allzu vertrauten, gängigen Klischees. Die Unterwanderung eines ganzen Genres passt wunderbar in eine Zeit, in der das ZDF Krimis am Fließband ausstrahlt und die ARD mit dem „Tatort“ so hohe Quoten wie nie einfährt.
Das Premierenpublikum im Central spendierte an Gründonnerstag der neuen Bühnenfassung von Regisseur Tilmann Köhler minutenlangen Beifall. Die zweistündige Inszenierung ist betont düster gehalten, kommt aber nie übertrieben morbide oder effekthascherisch daher. Der Fokus liegt auf Kommissar Matthäi, dessen immer größer werdende Verzweiflung eindrucksvoll von Schauspieler Florian Lange rübergebracht wird. Die anderen fünf Ensemblemitglieder sind in wechselnden Rollen zu sehen. Darunter Johanna Kolberg, die gleichzeitig auch als Puppenspielerin agierte.
Das puristisch-kühle Bühnenbild überzeugt mit einem besonderen Kniff: Kurz nach Beginn baut sich eine große Spiegelwand auf, in der der Bühnenboden reflektiert wird. So wird eine zweite Spielebene geschaffen, die interessante Bildkonstellationen entstehen lässt. Zum Beispiel, wenn die Darsteller den schwarzen Bühnenboden mit bunten Kreidemalereien verzieren und sich dann in den gemalten Strichfiguren wälzen. Fazit: Der etwas andere Krimi ist auch in dieser Bühnenfassung eine gelungene Abrechnung mit den Stereotypen des Krimigenres.