Thema Kultur / Rheinkirmes: Rhein-Wiesn oder mobiles Phantasialand?
In Sachen Vergnügungskultur ist die Größte Kirmes am Rhein der Magnet für die Stadt. Im Trend liegt die Tradition.
Düsseldorf. Düsseldorf 2020: Riesenzelte mit blinkenden Altbier-Firmenlogos in gigantischer Größe säumen das Rheinufer. In einem spielt Mickie Krause mit leicht ergrautem Haar, im anderen klingt Olaf Hennings neuester Hit "Wir spielen Räuber und Gendarm", im nächsten rockt eine Porno-Al-Forno-Coverband, weil das Original gerade auf großer Südosteuropatour durch EU-Staaten wie Bulgarien, Albanien und die Türkei ist.
In den Bierbänken auf zwei Etagen werden 0,5-Liter-Krüge mit extradunklem "Kirmes-Alt" geschwenkt; Düsseldorf schunkelt mit Australien mit Frankreich mit Bayern - am Revers kleine Buttons der DMT "Die größte Biersause am Rhein".
Düsseldorf 2020: Schrille Schreie hallen am Rheinufer durch Fluchten hoher Gestänge und blinkender Buden. Drehende Gondeln schrauben sich durch Sechsfach-Loopings, während Papa an der Counterstrike-Simulations-Schießbude nebenan mit 3-D-Brille und dem Vollautomatischen für Mama den neuesten IPod erballert, mit dem man gleichzeitig telefonieren, faxen, Filme schauen und durch Wände sehen kann. Auf dem 150-Meter-Powertower löst sich vom Revers eines Adrenalin-Junkies aus Las Vegas ein DMT-Button "Der größte Kick am Rhein".
Riesen-Volksfest à la Wiesn mit Bier und Party oder hochtechnisierter mobiler Vergnügungspark mit immer größerer Zentrifugalkraft? Für die Rheinkirmes gilt wohl: weder noch. Obwohl Peter König, der zuletzt 338 000 Euro in sein Füchschen-Zelt investierte, durchaus mal in oktoberfest’schen Dimensionen denkt: "Hätte ich den Platz, würde ich sofort zweistöckig bauen", sagt der Füchschen-Chef.
Von der Empore könnte man dann auch die Tanz-Revue sehen, die König 2020 gern als Rahmenprogramm hätte. "Die Leute gehen immer mehr feiern", glaubt er. Ein Riesen-Füchschen-Zelt jenseits der Kniebrücke? Warum nicht! Aber nicht mit geschlossener Tür und Reservierungen gegen ein vorausbezahltes Gedeck "Himmel und Ähd + zehn Alt". "Ist das ätzend oder was? Deshalb gehe ich nicht aufs Oktoberfest", sagt König. "Eine Wirtestraße auf der Kirmes, das wäre furchtbar."
"In Düsseldorf undenkbar", findet auch Schausteller Oscar Bruch. Aber auch die Zeit von "Höher, Schneller, Weiter" sei vorbei. Bruch hat seinen Vierer-Looping "Euro-Star" abgestoßen - aus wirtschaftlichen Gründen. "Die Kirmes wird emotionaler", visioniert er. "Familiärer. Wir bekommen eher lustige Achterbahnen, auf die sich auch Oma und Opa trauen. Nicht nur Leistungssportler." Der demografische Wandel fährt auch auf dem Karussell mit. "Mein Riesenrad wird auch 2020 stehen", glaubt Bruch.
Traditioneller Rummel mit Party-Garnitur fürs Jungvolk. Aber wie lange wird er dauern? "16 Tage!", lautet Bruchs kühne Vision. "Weiterhin neun Tage", widerspricht Peter König. Er lacht: "Mehr halte ich nicht aus. Ich werde auch nicht jünger."