Kalkstraße Tödlicher Unfall einer 9-Jährigen — viele offene Fragen
Seit 2008 starb erstmals wieder ein Kind im Verkehr. Wie konnte das in einer Tempo-30-Zone passieren? Und warum gab es keine Bremsspur?
Düsseldorf. Kerzen, Blumen, Kuscheltiere und Abschiedsbriefe liegen an der Kalkstraße in Wittlaer. Kinder kommen alleine oder mit ihren Eltern, Anwohner suchen den Ort auf, versuchen, den Unfalltod eines neunjährigen Mädchens zu begreifen. Der Schock sitzt sichtbar tief: Die Schülerin starb am Dienstagmorgen nach einem Unfall in der Nähe der Kreuzung Am Krausen Baum.
Ein neunjähriger Junge, der selbst auf dem Schulweg war, hat das Mädchen schwer verletzt liegen sehen, starrt nun auf die Kerzen und die Kreidestriche auf der Straße. „Es wird Zeit, dass sich etwas tut“, sagt eine Mutter. „Die Kreuzung ist total unübersichtlich.“ Es sei eng, Gehwege und Straße seien oft zugeparkt, erklären Anwohner. „Man kommt hier mit dem Fahrrad manchmal kaum durch“, erzählt ein zehnjähriges Mädchen. Sie spekulieren, wie es dazu kommen konnte, dass das Mädchen überrollt wurde.
Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der tödliche Unfall ein Unglück, das mit einem Höchstmaß an Ermittlungsaufwand bearbeitet wird. Zuletzt starb 2008 ein Kind im Düsseldorfer Straßenverkehr. Ein 14 Jahre alter Junge war am Rather Broich unter eine Straßenbahn geraten. Im Wittlaerer Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. „Wenn ein Kind tödlich verunglückt, wird selbstverständlich umfänglich geprüft“, sagt Staatsanwalt Martin Stücke. Nach aktuellem Kenntnisstand deute jedoch nichts auf ein Verschulden der 57 Jahre alten Pkw-Fahrerin hin. Sie hatte an der Kreuzung Am Krausen Baum/Kalkstraße Vorfahrt gehabt, das Kind war mit seinem Fahrrad von links gekommen und hatte offenbar den Pkw übersehen.
Jedoch stellt die Schwere der Unfallfolgen die Ermittler vor ein Rätsel. Zumal: Der Zusammenprall ereignete sich in einer Anliegerstraße und Tempo-30-Zone. Warum starb das Mädchen? Warum gibt es keinen Bremsweg? „Wir versuchen herauszufinden, wie hoch die gefahrene Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes war“, sagte Polizeisprecher André Hartwich. Die Kalkstraße gilt nicht als Raserstrecke, was Anwohner bestätigen, noch ist sie ein Unfallschwerpunkt. Klärendes erhofft man sich von Zeugen, deren Befragung andauert.
Bis zum Jahr 2008 war die Kalkstraße Einbahnstraße. 2014 beantragten Anwohner, die Einbahnstraßenregelung wieder einzuführen, da sie sich vom Durchgangsverkehr gestört fühlten. Die Stadt lehnte ab, mit dem Hinweis, dieser suche sich dann andere Wege. 2015 wandten sich Anwohner erneut an die Stadt und regten eine Geschwindigkeitsmessung an. Ergebnis: Fahrzeuge waren im Schnitt mit 38 Stundenkilometern auf der Kalkstraße unterwegs. Alles blieb, wie es war. Nach Auskunft von Stadtsprecher Volker Paulat liegen zurzeit, zumindest dem Amt für Verkehrsmanagement, keine Klagen vor.
Auch Bezirksbürgermeister Stefan Golißa weiß nichts von aktuellen Beschwerden. Er ist tief bestürzt von den Geschehnissen, ist selbst Vater eines neunjährigen Sohn. „Es gibt auf der Kalkstraße, dem Grenzweg und der Straße Wittgatt — die alle in der Duisburger Landstraße münden — Schleichverkehr.“ Thema in der Bezirksvertretung sei jedoch bislang nur die Temporeduzierung auf Teilstücken der Bockumer Straße gewesen, von 50 auf 30 Stundenkilometer.
In der Franz-Vaahsen-Grundschule, die das Mädchen besucht hat, kümmert sich ein Betreuer-Team von Stadt und Kirchen um Schüler, Eltern und Lehrer. Ein Klassenzimmer wurde zum Gedenkraum umfunktioniert, in welchem die Kinder zum Beispiel mit selbstgemalten Bildern und Briefen ihrer Trauer Ausdruck verleihen.