Nyke Slawik könnte als erste geoutete Transfrau in einem Landtag sitzen Transidentität: Keine gewöhnliche junge Frau
Nyke Slawik (22) könnte bald als erste geoutete Transfrau in einem Landtag sitzen.
Düsseldorf. Das Erste, was man Nyke Slawik — 22 Jahre alt und vielleicht bald für die Grünen im Landtag — natürlich fragen muss, ist, wie sie zu diesem ungewöhnlichen Namen kam. „Ich bin ja in den Genuss gekommen, mir den Namen selbst aussuchen zu dürfen“, antwortet die junge Frau mit einem Lächeln. Und als sie ihn ausgesucht hat, dachte sie an die griechische Siegesgöttin. Immerhin war dieser neue Name tatsächlich ein großer Sieg. Denn Nyke Slawik ist nicht nur sehr jung und vielleicht bald Abgeordnete — sie wäre dann auch die erste geoutete Transfrau in einem Landesparlament.
Ihre persönliche Geschichte hat sicher den Grundstein zu Nyke Slawiks frühem und intensivem politischen Engagement geführt. Zumindest den Grundstein zu ihrem sicheren Kompass für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Denn natürlich fühlte sie immer, dass etwas nicht richtig ist. Dass sie als Junge nicht glücklich leben konnte. Doch als sie das mit 13 in der Pubertät zum ersten Mal Freunden gegenüber äußerte, gab es verstörte Reaktionen. Auch von ihrer Mutter, als sie deren Make-up klaute. „Also habe ich das Ganze erst mal wieder eingepackt.“ Um den 17. Geburtstag herum habe sie die Mauer dann aber endgültig und sehr heftig eingerissen — und doch dauerte es noch Jahre, bis sie — körperlich und amtlich — sein durfte, was sie in ihrem eigenen Bewusstsein immer war: eine Frau. „Der Prozess ist nicht so selbstbestimmt, wie man sich das wünschen würde.“ Psychiater müssen ihren Senf dazugeben, viel Papierkram muss erledigt und durch die Institutionen gereicht werden. „In der Zwischenzeit hat man keinen Ausweis, der zu seinem Geschlecht passt“, erklärt die 22-Jährige — noch gut vor Augen, wie es sich anfühlt, in einer Schlange vor der Disko zu stehen und dem Türsteher erklären zu müssen, warum das Bild im Perso das eines Jungen ist.
Dass sie nicht selbst über ihr Geschlecht bestimmen durfte, fand Nyke Slawik ungerecht. Aber eigentlich kam sie vor sieben Jahren zu den Grünen über Umweltschutzthemen, „brennend“ interessiere sie sich für Europapolitik, hat auch ein Praktikum in Brüssel schon hinter sich. Ihre persönliche Geschichte blieb erst einmal ihre persönliche Geschichte. „Ich bin damit nicht hausieren gegangen“, sagt sie — immerhin war sie bewusst aus ihrer Heimatstadt Leverkusen weggegangen und zum Studium nach Düsseldorf gezogen. „Ich war froh, den Kampf überstanden zu haben.“ Seit 2012 ist sie ganz offiziell Nyke.
Doch in ihr brodelte weiter die Ungerechtigkeit, die sie selbst erlebt hatte. „Du wartest darauf, dass jemand diesen Kampf führt“, erklärt sie. Für die echte Gleichberechtigung aller Menschen. Für mehr Angebote und Beratung für Jugendliche, damit sie sich freier entfalten können, als sie es konnte. Für sehr vieles. Am Ende entschied sie sich, diesen Kampf selbst zu führen. Und dabei voll und ganz authentisch zu sein. Versteckt hatte sie zu vieles zu lange. Dass es die richtige Entscheidung war, weiß sie, wenn Menschen auf sie zukommen, die auch von der Mehrheitsgesellschaft an den Rand gedrängt wurden und die durch sie Mut gefasst haben. Durch die Netzwerke, die sie durch ihren Schritt ins politische Rampenlicht knüpfen konnte. Er hat Menschen zusammengebracht, die in die gleiche Richtung und etwas verändern wollen.
Nyke Slawik ist politische Geschäftsführerin im Landesvorstand der Grünen Jugend — ein Ehrenamt. Neben ihrer Kandidatur muss sie jetzt ihre Bachelorarbeit wuppen. Anglistik und Medienwissenschaft. Bis zur Wahl sollte der Abschluss in ihrer Tasche sein. „Es ist ja nicht unrealistisch, dass ich in den Landtag komme.“ Auf Platz 29 der Landesliste hat ihre Partei sie gewählt.
Und irgendwie überrascht es fast, dass diese ungewöhnliche junge Wahl-Düsseldorferin — Vorkämpferin für transidente Menschen und Polit-Überfliegerin — doch so ein ganz gewöhnliches Leben führt. Nach Parteitagungen liegt sie gern im Bett und guckt Serien. „Ich gärtner’ tatsächlich gern“, lacht sie. Im Schrebergarten ihres Papas baut sie eigenes Gemüse an. Strickt eigene Klamotten und stellt vegane Seife zu Hause her. „Ein bisschen öko bin ich schon.“ Und sie liebt ihren Stadtteil Oberbilk, wo sie lächeln muss, wenn auf eine frischgestrichene Hauswand jemand sprayt: „Zu sauber!“
Und natürlich spricht sie gern über Politik. Es dürfte nicht viele Anfangzwanziger geben, die ähnlich viel zu ähnlich vielem zu sagen haben. Trotzdem ist sie nicht böse, wenn es immer wieder um dieses eine persönliche Thema geht. „In der Politik bringt man immer einen Teil der Privatsphäre als Opfer“, meint sie achselzuckend. Nur eine Frage verbittet sie sich: Wie sie hieß, bevor sie Nyke hieß. Und das ist auch nur gerecht so.