Rheinkirmes Typisch Kirmes: Was die Besucher wollen
Zelt-Hopper, Rummel-Gourmets und Adrenalin-Junkies — Menschen sind Gewohnheitstiere. Und das gilt natürlich auch bei Volksfesten. Der Versuch einer Einordnung.
Düsseldorf. Im Leben hat ein jeder seine Rolle. Im Büro etwa gibt es die strukturierten Denker neben den effizienten Arbeitstieren und den kreativen Träumern. Auf der Straße gibt es die Autofahrer, die immer alle reinlassen, und die, die sich immer überall reindrängeln. So ist das eben — Menschen sind Typen. Und das natürlich auch auf Volksfesten. Die Autorin selbst outet sich hiermit jetzt mal als Kirmes-Spießerin, aber auch als Rummel-Gourmet: immer einmal auf die Wildwasserbahn und dann von Futterstand zu Futterstand. Anziehungspunkte: Alpenwelt und französisches Dorf. Jedes Jahr das Gleiche. Aber es gibt ja zum Glück noch andere Kirmes-Typen.
Da gibt es zum Beispiel die Sich-treiben-lasser. Sie mäandrieren von Karussell zu Karussell und sind offen für alles. Wie Jutta und Theo Becker. Bei ihnen gibt es nur zwei bestimmende Größen. Also eigentlich drei. Zwei davon sind ihre Enkel Jonathan (7) und Joshua (4). Jonathan probiert inzwischen ziemlich viel aus. „Je älter er wird, umso schlimmer wird das Karussell“, klagt Opa Theo. Sogar auf fiese drehende Kraken will er. „Nur nicht allein!“ Also muss der Großvater mit. Und die zweite Kompassnadel im Kirmesgewühl sind die Fliegenden Frösche. An dieser Bude können Plastikfrösche von einem Katapult aus per Hammerschlag in einen rotierenden Brunnen geschossen werden — und sollen eine Seerosenblüte treffen. Jutta Becker ist schon semi-professionelle Frosch-Werferin. „Sie hat mal so ein ganz großes Tier gewonnen“, verrät ihr Gatte. Da hatte sie in die oberste Seerose getroffen. Seither ist die Bude im sonst planlosen Besuch fest eingeplant — heute weniger erfolgreich, aber wenigstens mit einem winzigen Plüschfrosch als Gewinn.
Dann gibt es da natürlich die Zelt-Hopper. Als solche sind zwei junge Freunde am Donnerstagnachmittag unterwegs und auf der Suche nach Anschluss. Beide sind Polizisten. „Und Donnerstag ist immer der Polizeitag“, sagt der eine von ihnen (33), der aus offensichtlichen Gründen lieber anonym bleibt.
„Grundsätzlich trifft sich dabei alles im Füchschen-Zelt.“ Aber das fehle ja nun. „Also sind wir gerade noch in der Findungsphase.“ Verabredungen für Zeit und Ort gebe es nicht — man wisse einfach, dass an diesem Kirmestag die Kollegen aus sämtlichen Kommissariaten und Wachen sich letztlich in den Zelten träfen.
Für gewöhnlich wäre auch Lasse Gehring dort jetzt zu finden — im Zelt. Aber der 34-Jährige ist zwangsweise Zelt-Hopper a.D. und zum ersten Mal mit seiner sechsjährigen Tochter Millaray auf dem Rummel. Statt Bierchen gibt es jetzt Wilde Maus mit der kleinen Maus. „Aber wir haben Spaß“, versichert er glaubhaft.
Ein dominanter Typus ist natürlich der Adrenalin-Junkie. Wonach der sucht, ist klar: „Die wilden Sachen!“, sagt Kurt Weber. Mit Kumpel und klarem Plan zieht der 66-Jährige über die Rheinwiesen: „Wir fangen an mit der Wildwasserbahn, gehen dann auf sämtliche Achterbahnen, beide Falltürme und zum Schluss noch mal auf die Wildwasserbahn.“
Ähnlich sähe wohl auch Miriam Katzenbergers (sie sagt ungefragt gleich dazu: „nicht verwandt!“) Programm aus — hätte die 21-Jährige nicht Freund Tobias Kremer dabei. „Ich habe Höhenangst“, gibt der 23-Jährige zerknirscht zu. Also gehen sie auf alles, was sich schnell dreht — sechs Fahrgeschäfte mindestens. Heute allerdings hat Miriam einen klassischen Adrenalin-Junkie-Fehler begangen: Nach Fahrgeschäft Nummer drei hatte sie was Fettgebackenes mit Käse — und nun ist ihr schlecht.
Deshalb wollen die Freundinnen Dilek Sari (23) und Gizem Delioglu (21) erst nach dem Kirmesbesuch essen — „irgendwo mit Klimaanlage“. Sie fangen „mit harmlosen Sachen“ an, sagen sie. Gerade kommen sie von der Alpina-Bahn (in ihrer Welt gilt die noch als harmlos), sind auf dem Weg zum Höllenblitz, der Indoor-Achterbahn. „Am liebsten würde ich auf alles drauf!“, sagt Gizem. Aber irgendwann dreht sich auch einem Adrenalin-Junkie mal der Magen um.
Das kann unserer Fotografin Judith Michaelis nicht passieren. Am Ende dieser Umfrage outet sie sich nämlich auch — als Kirmes-Glücksritterin. „Ich muss immer einmal an die Losbude!“ 40 Lose kauft sie und gewinnt ein Plüsch-Eichhörnchen aus den „Ice Age“-Filmen. Nicht besonders hübsch. Aber Kirmesglück ist eben eine Typfrage.