Unfallprävention: Die Polizei setzt auf den Schock-Effekt
Gerade junge Erwachsene bauen oft Unfälle durch Raserei. Im Februar starten in den Schulen daher „Crashkurse“.
Düsseldorf. Einen Monat ist es her, dass ein erst 22-jähriger Autofahrer aus Langenfeld an der Frankfurter Straße in den Tod raste. Vermutlich wegen stark überhöhter Geschwindigkeit verlor der junge Mann die Kontrolle über seinen Wagen, prallte in die Leitplanke und dann gegen eine Laterne. Kein Einzelfall: Die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren sind eine Risikogruppe im Straßenverkehr.
Statistisch gesehen verunglückten 2010 von 100 000 jungen Düsseldorfern 924,3. Zum Vergleich: Bei den Senioren, die nach landläufiger Meinung oft unsicher im Verkehr unterwegs sind, lag der Anteil der Verunglückten nur bei 294,8. Trotzdem sind sich viele junge Autofahrer der großen Gefahr nicht bewusst. Die Düsseldorfer Polizei startet deshalb Anfang Februar so genannte „Crashkurse“ an Schulen.
Das NRW-Programm wurde im vergangenen Jahr vorgestellt und seither schrittweise von den Polizeibehörden im Land eingeführt. Seit März 2011 bereitet auch eine Projektgruppe in Düsseldorf die Einführung der „Crashkurse“ vor.
„Es ist sehr viel Arbeit“, erklärt Peter Reinhardt vom Verkehrskommissariat 11. Denn die Polizei will bei den Präventions-Veranstaltungen, die sich an Zehntklässler in Düsseldorf richten, „nicht mit dem erhobenen Zeigefinger dastehen“. Vielmehr werden Polizisten, Sanitäter und Notfallseelsorger ganz persönlich von ihren Erfahrungen mit schweren Unfällen berichten. Dazu werden Fotos von den Unfallorten gezeigt — acht Beispielfälle aus Düsseldorf hat das Team ausgewählt. „Es werden Bilder sein, bei denen man den Atem anhält“, sagt Peter Reinhardt. „Aber viel authentischer sind die persönlichen Erfahrungen.“
Im NRW-Konzept der „Crashkurse“ werden etwa die Schilderungen eines Polizisten wiedergegeben, der nach einem Unfall den Angehörigen die Todesnachricht überbringen sollte, persönliche Gegenstände und das Telefon des Opfers hatte er bei sich: „Da schellte das Handy, das auf meinem Beifahrersitz lag. Die Frau oder Freundin des Verstorbenen hatte angerufen. Und das war das Bedrückende, was mir nicht aus dem Kopf geht.“
An 928 Unfällen 2010 waren in Düsseldorf junge Erwachsene beteiligt, in 807 Fällen als Fahrzeugführer — 537 dieser Unfälle verursachten sie selbst. „Überhöhte Geschwindigkeit war bei 116 dieser Unfälle die Ursache, dabei wurden 108 Menschen verletzt, sogar zwei getötet“, sagt Polizeisprecher Marcel Fiebig. „Durch die ,Crashkurse’ wollen wir Betroffenheit herstellen“, erklärt Peter Reinhardt. Die Gefahr soll real und greifbar werden für die jungen Zuhörer.
Bei erwachsenen Temposündern setzt die Düsseldorfer Polizei zu diesem Zweck seit einigen Jahren so genannte Schockvideos ein. Es sind Szenen nachgestellter Unfälle, welche die möglichen Folgen von Raserei verdeutlichen. Denn: Geschwindigkeit ist nach Fehlern beim Abbiegen und Wenden die zweithäufigste Unfallursache in Düsseldorf. 2010 krachte es 751 Mal, weil ein Autofahrer zu schnell unterwegs war. Die Tempounfälle nahmen im Vergleich zum Durchschnitt der drei vorhergehenden Jahre um fast 23 Prozent zu — ihre Zahl lag 2007 noch bei 524.
„Das Problem: Die Autofahrer können nicht gezwungen werden, sich die Filme anzusehen“, erklärt Reinhardt. „In Düsseldorf erklärt sich kaum jemand freiwillig bereit dazu.“ Dabei sei die Wirkung der Videos, wenn der Autofahrer sie einmal sieht, offensichtlich. Jugendliche allerdings, so glaubt Reinhardt, sind durch Fernsehen und Internet zu sehr abgestumpft gegenüber solchen Szenen. „Wir brauchen da mehr Authentizität.“ Die persönlichen Erfahrungsberichte Beteiligter, hofft die Polizei, werden da mehr Eindruck hinterlassen.