Vinyl lockt Musikfans ins Slowboy

Im Plattenladen von Andreas Ziegler und Günter Harke werden Musikbegeisterte schnell fündig.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Andere haben ihren Nine-To-Five-Job: Morgens den Rechner an, um fünf den Rechner wieder aus. Die Zeit dazwischen bringt Geld, aber mitunter auch Langeweile und Dienst nach Vorschrift. Andreas Ziegler schließt seinen Laden morgens um zehn auf und abends um sieben wieder zu. Unmengen an Geld verdient er dazwischen nicht. Dafür aber ist sein „Dazwischen“ gefüllt mit dem, was wirklich wichtig ist: der Musik.

„Ich brauche nicht jedes Jahr ein neues Auto“, sagt Andreas Ziegler und meint damit: Er braucht keinen normalen Job mit viel Geld — dafür aber seinen Plattenladen „Slowboy“. Der existiert seit 2006 an der Oberbilker Allee. Das ist zwar nicht das Zentrum, liegt aber am Rand von Flingern — und somit am Anfang jener Musik-Tangente aus Konzerthallen und Proberäumen, die sich von der Siegburger Straße aus bis zum Ende der Ronsdorfer Straße erstreckt. Gerade wenn es um Liebhaber wie musikverrückte Plattensammler und ihre Liebschaften geht, zählt nicht, wie bei Hotels, die Lage zum Stadtzentrum. Es zählt die optimale Ausstattung in den Regalen des Ladens. Bei „Slowboy“ ist die Lage mies, die Ausstattung aber fünf-sterne-mäßig.

Bei „Slowboy“ spielt die Musik. Vor allem Indierock und Punk. Aber auch Klassiker wie Beatles und Stones und Pink Floyd und Kraftwerk. Teure Originalpressungen. Billige Nachpressungen. Second-Hand-Scheiben. Neue 180-Gramm-Vinylscheiben. Ausgewählte Platten in Fünf-Euro-Grabbelkisten. Insgesamt mehr als 20 000 LPs und Singles, von denen 10 000 auch im Internet angeboten werden. Gäbe es einen Michelin-Atlas der Plattenläden, „Slowboy“ erhielte die Höchstwertung.

Schließlich verkaufen Andreas Ziegler und sein Kollege Günter Harke nicht nur Platten. Sie gestalten auch Cover: Beide jobbten schon als Studenten in einer Siebdruckerei. Und sie veröffentlichen Platten von Bands wie EA 80 oder Drop Dead — mit denen sie groß wurden und die sie lieben — auf ihrem eigenen Label, das so heißt wie der Laden: „Weil wir zwei Jungs sind und unser Geschäft eher langsam aufgebaut haben“, erklärt Andreas Ziegler. Langsam. Jungs. Slow. Boys. Slowboy. Die Idee, dieses Geschäft mit Label aufzumachen, sei ganz selbstverständlich gekommen: „Wir dachten uns: Wenn wir schon mit Leidenschaft Schallplatten sammeln und Konzerte besuchen, können wir das auch zu unserem Beruf machen und unser eigener Herr werden.“

Kunden kommen nicht nur aus der Gegend. Sie kommen von überall her. Sogar aus den USA. „Die bestellen bei uns im Internet und legen beim Europa-Urlaub extra einen Zwischenstopp in Düsseldorf ein.“ Zudem ist für Plattenladenbesitzer wie die beiden „Slowboy“-Jungs alles, was mit Netzwerken zu tun hat, wichtig: Wenn sie nicht im Laden stehen und Platten verkaufen, Platten ankaufen, Platten für ihr Label planen oder sich generell über Platten unterhalten, dann besuchen sie andere Plattenläden und Plattenbörsen oder stehen mit Plattenständen bei Konzerten und Festivals.

Und natürlich sammeln sie Platten. Mehrere Tausend davon haben Andreas Ziegler und Günter Harke jeweils zuhause stehen. Günter Harke hat die wertvollsten von ihnen in einer separaten Kiste am Wohnungseingang platziert: Wenn mal ein Feuer ausbricht, kann er die als erstes schnappen beim Rausrennen. Manchmal sind die Ladenbesitzer sogar ihre besten, eigenen Kunden, wie Harke sagt: „Es kommt vor, dass wir neu angekommene Platten wieder und wieder durchwühlen und interessante Exemplare mit nach Hause nehmen.“ Die noch. Und die noch. Und die noch. Das Geld fließt in die „Slowboy“-Kasse. „Es könnte uns privat wahrscheinlich richtig gutgehen, wenn wir nicht jeden Monat selbst so viel Geld bei uns im Laden lassen würden“, sagt Harke. Und lacht mit Augenzwinkern. Ein bisschen übertreiben muss sein. Ist ja nicht umsonst eine „Leiden-schaft“, das mit der Musik — und kein „Nine-To-Five“.