Düssel-Flaneur Von Chile bis Australien: Diese Orte sind nach Düsseldorf benannt
Düsseldorf. · Eine Galerie in Australien, ein Gasthof in Argentinien, eine Ferienhaus-Anlage in Venezuela: Orte weit weg von Düsseldorf, die nach Düsseldorf benannt sind. Warum? Eine Spurensuche.
Wie kommt man auf die Idee, ein Hotel in Chile „Hotel Düsseldorf“ zu nennen? Warum heißt eine argentinische Bäckerei „Panadería Düsseldorf“? Wieso wählen Menschen in anderen Ländern Düsseldorf als Namenspate? Diese Fragen möchte die heutige Kolumne beantworten, und vermutlich wären sie nie aufgekommen, wären die Orte nicht im Sommer 2018 als „Beifang“ ins Recherche-Netz gegangen: Bei der weltumspannenden Internet-Suche nach Straßen, die nach Düsseldorf benannt sind (siehe Kolumne Nr. 2: „Düsseldorf als Straßenpate zwischen Köln, Las Vegas und Töging am Inn“).
Persönliche Verbindungen ins Rheinland, eine Faszination für den Ü-Umlaut, bloßer Zufall: Das sind die Beweggründe, die mir als erste einfallen, um einen Ort am anderen Ende der Welt nach meiner Heimatstadt zu benennen. Am liebsten würde ich mich ins Flugzeug setzen und jeweils persönlich nachfragen. Stattdessen verschicke ich E-Mails, führe diverse Telefonate, hole Informationen ein. Das Ergebnis: fünf kurze „Warum Düsseldorf?“-Geschichten aus Australien und Südamerika:
Galerie Düsseldorf, Perth, Australien Die Geschichte einer der einflussreichsten Kunstgalerien Australiens beginnt am Rhein: Die spätere Co-Gründerin Madga Sheerer stammt aus Deutschland, lebt in den später 1960ern und frühen 1970ern in Düsseldorf, rund zehn Jahre lang. Sie taucht in die Kunstszene der Stadt ein, sieht jede Menge Ausstellungen. Auch den Musikclub Creamcheese an der Neubrückstraße besucht sie gerne, ein Treff der Musiker und Kreativen der Stadt: In dem Altstadtlokal gehören Kunstakademiekünstler wie Joseph Beuys und Günther Uecker zu den Stammgästen – lange bevor sie berühmt werden. Hinter der Theke steht zeitweilig die heute ebenfalls berühmte Fotografin Katharina Sieverding. Sogar Kraftwerk spielen hier im Dezember 1970 ein Konzert, in einer frühen Besetzung, mit „krautrockigen“ Stücken, Jahre vor ihrer Wendung hin zum Elektropop. Magda ist fasziniert von der Kunststadt Düsseldorf, von der kreativen Nähe zwischen Kunst und Musik. Dann lernt sie den Künstler Douglas Sheerer kennen, halb Brite, halb Italiener, mit britischem und australischem Pass – und wandert mit ihm nach Australien aus. 1976 – im gleichen Jahr, in dem die Gruppe Kraftwerk ihr legendäres Album „Trans Europa Express“ aufnimmt und das Creamcheese schließen muss – gründen Magda und Douglas Sheerer in der Millionen-Metropole Perth an Australiens Westküste eine kleine Kunstgalerie. Der Name, komplett auf Deutsch geschrieben: Galerie Düsseldorf. Eine Hommage an die Stadt Düsseldorf und das Flair ihrer Kunstszene, rund 14 000 Kilometer von Düsseldorf entfernt.
Es läuft gut: 1980 ziehen Magda und Douglas in größere Räume um, in den Folgejahren avanciert ihre Galerie zu einer der angesehensten Australiens. Mitte der 1990er ein weiterer Umzug: in einen nach Magdas und Douglas Wünschen gestalteten Neubau im Stadtteil Mosman Park. Im Laufe der Jahre präsentiert das Paar immer wieder auch deutsche Künstler wie Paul Wunderlich, Johannes Eidt und Jörg Schmeisser. Zwischendurch schließt sich der Kreis: Ein junger Australier, der mehrere Jahre als Meisterschüler von Gotthard Graubner in Düsseldorf studiert hat, stellt in der Galerie Düsseldorf seine Arbeiten aus. Und gelegentlich kommen sogar kunstinteressierte Düsseldorfer auf Australienreise vorbei und besuchen die nach ihrer Heimatstadt benannte Galerie. Inzwischen bezeichnen sich Magda Sheerer (77) und Douglas Sheerer (72) als „semi-retired“ (halb im Ruhestand): Sie richten keine regelmäßigen Ausstellungen mehr aus, öffnen aber nach Vereinbarung. Momenten stellen sie Werke des Australiers Howard Taylor aus.
Panadería Düsseldorf, La Plata, Argentinien Strudel de Manzana. So heißt eine der Spezialitäten der Panadería Düsseldorf. Apfelstrudel in einer Bäckerei und Konditorei in der 750 000-Einwohner-Stadt La Plata, südlich von Buenos Aires. Der Name des Familienunternehmens geht auf den Vater von Inhaberin Cintia Pulvermann zurück: Familie Pulvermann gehört zu den schätzungsweise drei Millionen Argentiniern mit deutschen Vorfahren. Eine sehr heterogene Bevölkerungsgruppe: Wolgadeutsche und Hessen, die bereits im 19. Jahrhundert einwandern. Deutsche Juden, die vor den Nazis fliehen ebenso wie einige Hundert Nazis und Kollaborateure, die über die sogenannten „Rattenlinien“ ins Land kommen, um sich einer Strafverfolgung zu entziehen.
Eduardo Pulvermann wird in Düsseldorf geboren. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs gelangt der einzige Sohn der Familie nach Argentinien. Immer wieder erzählt er seinen Kindern von Düsseldorf und von der langen Reise in die neue Heimat. Als seine Tocher Cintia sich vor 25 Jahren mit der kleinen Bäckerei selbständig macht, steht fest: In Gedenken an den Geburtsort ihres Vaters wird das Geschäft „Panadería Düsseldorf“ getauft, und neben lokalen Spezialitäten sind auch „deutsche“ Back- und Teigwaren im Sortiment. Eine der Hauptspezialitäten neben dem erwähnten Strudel de Manzana sind Medialunas (Hörnchen), die wiederum Pate für die Social-Media-Präsenz der Bäckerei stehen. Auf facebook.com/ dusseldorfmedialunas kann man sich über Fotos und Clips schnell einen Einblick in den Alltag der Panadería Düsseldorf verschaffen.
Cintias Vater Eduardo hat es bis heute nicht geschafft, mit seiner Frau Düsseldorf zu besuchen, wohl aber Cintias Geschwister. Auch die Ware der Panadería Düsseldorf geht immer wieder mal auf Reisen: „Manchmal kommen deutsche Touristen in die Bäckerei“, erzählt Cintia Pulvermann, „so sind unsere Spezialitäten schon oft im Gepäck an alle möglichen Orte in Deutschland gereist.“ Und dann gebe es unter den Stammkunden noch diesen kleinen Jungen, der ausschließlich von ihrem Vater bedient werde: Dann spricht der Argentinier Eduardo Pulvermann, geboren in Düsseldorf, Deutsch.
Posada Düsseldorf, Villa General Belgrano, Argentinien Im Sommer 1978 richtet Argentinien die Fußball-Weltmeisterschaft aus. Rummenigge, Flohe, Fischer und Co treten in Cordoba an, der zweitgrößten Stadt des Landes. Das Spiel Deutschland gegen Österreich, das Deutschland 2:3 verliert, hat bis heute Legendenstatus, sogar in einem eigenen Wikipedia-Eintrag sind die Details über das Ausscheiden der Mannschaft nachzulesen: „die Schande von Cordoba“. Rund zwei Autostunden südlich von Cordoba spielt sich während der WM eine „Nebengeschichte“ ab, die mit Düsseldorf zu tun hat: „Düsseldorf grüßt den Rest der Welt“. Das verkündet im Juni 1978 ein Banner, das einige Fußballfans aus der NRW-Landeshauptstadt auf dem Balkon ihrer Pension aufgehängt haben. Zur Anfangsphase des Turniers sind sie im von deutschen und schweizer Einwanderern gegründeten Dorf Villa General Belgrano abgestiegen (heute rund 10 000 Einwohner). Eine Art bayerische Enklave, mit alpinem Flair und Bierbrauereien mit Namen wie „Germania“ oder „Interlaken“, in der inzwischen das größte Oktoberfest Südamerikas ausgerichtet wird. Die Posada – spanisch für Gasthaus –, in der die Düsseldorfer wohnen, ist erst kurz zuvor eröffnet worden – und hat noch keinen Namen. Dafür sorgen die Düsseldorfer Fußballfans mit ihrer rheinisch-guten Laune: Sie beeindrucken die Inhaber so sehr, dass diese beschließen, ihr Haus künftig „Posada Düsseldorf“ zu nennen. Auf der Website der von Guillermo Friedrich und seiner Frau Raquel Goméz de Friedrich betriebenen Pension ist heute noch ein Foto des „Düsseldorf grüßt die Welt“-Banners der Namenspaten zu sehen.
Cabañas Düsseldorf, Colonia Tovar, Venezuela Der höchstgelegene nach Düsseldorf benannte Ort der Welt befindet sich in Venezuela, im eher kühlen tropischen Regenwald, auf circa 1900 Metern. Der Blick fällt auf den Ortskern von Colonia Tovar, einer 21 000-Einwohner-Gemeinde in den Bergen westlich der Hauptstadt Caracas. Hier, im ruhigen Sector Los Pinos, hat die Familie von Aurimar Piñero Gutt vor elf Jahren ein touristisches Projekt auf die Beine gestellt: Sie vermietet Cabañas – kleine Appartmenthäuser – an Touristen und bietet geführte Touren zu den wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten der Umgebung.
Die Häuschen sind im Fachwerkstil erbaut, so wie die meisten Gebäude in Colonia Tovar, bis hin zur Kirche. Der Ort wurde von deutschen Einwanderern gegründet, die 1843 aus der Gegend des Kaiserstuhls ins Land kamen und hier eine neue Heimat fanden. Die Einwohner blieben lange unter sich, pflegten weiter ihre Traditionen, von Gerichten wie Eisbein mit Sauerkraut über Trachten, Tänze und die alemannische Fastnacht („Fasnet“) bis hin zur Sprache – einem niederalemannischen Dialekt („Ditsch“), der bis heute von vielen älteren Einwohnern gesprochen wird. Auch wenn als Verkehrssprache längst das Spanische dominiert, so werden die Schwarzwaldklischees weiterhin gepflegt, sind das „Markenzeichen“ des Ortes.
Aurimar Piñero Gutts Familie gehört zu den alteingesessenen. Das merkt man sogar an ihrer Adresse: Calle Los Gutt. „Als es darum ging, den Cabañas einen Namen zu geben, haben wir uns über diverse deutsche Städte und Orte informiert“, erzählt sie. „Schließlich sind wir auf Düsseldorf als fortschrittlichste und modernste Stadt Deutschlands gestoßen.“ Eben diese Modernität soll der Name der Ferienhaus-Anlage vermitteln: Cabañas Düsseldorf. Eigentlich will Aurimar Piñero Gutt noch einige aktuelle Fotos schicken. Doch aufgrund der angespannten politischen Lage in Venezuela sind wieder mal Strom und Internet ausgefallen. Sie hofft, dass sich die Lage beruhigt und wieder vermehrt deutsche und internationale Gäste Colonia Tovar besuchen. „Momentan kommen fast nur einheimische Wochenendtouristen, die Lust auf frische Luft, frische Früchte, typisch deutsche Süßspeisen und europäisches Ambiente mitten in Venezuela haben.“
Hotel Düsseldorf, Talcahuano, Chile Nicht im von deutschen Einwanderern geprägten Süden Chiles, nicht in der Hauptstadt Santiago, sondern ausgerechnet in der mittelgroßen, nicht übermäßig schicken Hafenstadt Talcahuano, in der Mitte des langestreckten Landes, hat die Faszination für das „schicke“, „stilvolle“ Düsseldorf Hotel-Geschichte geschrieben. Der verantwortliche Hotelier heißt Alfredo Vargas Jara. Vor 30 Jahren entschied er sich, sein Hotel nach seiner deutschen Lieblingsstadt zu benennen, montierte auf der Rückseite des Hauses ein riesiges „Hotel Düsseldorf“-Schild, inklusive Umlaut. Von den Balkonen des Zwei-Sterne-Hotels aus kann man den Hafen sehen, die Zimmer kosten zwischen 32 und 48 Euro. Und die Inhaber betreiben darüber hinaus drei Ecken weiter ein Restaurant namens „Rincón Alemán“ („Deutsches Eck“).