Diskussion Weltfrauentag: Der Feminismus kämpft nicht mehr nur für Frauen

Düsseldorf · Bei der Feierstunde im Schauspielhaus sprach Mithu M. Sanyal, es folgten Podiumsgespräch und Austausch.

Moderatorin Helene Pawlitzki mit ihren Talk-Gästen Carissa Wagner, Hengameh Yaghoobifarah und Tarik Tesfu im Schauspielhaus.

Foto: Judith Michaelis

Eigentlich habe sie einen Vortrag zu weiblicher Sexualität halten sollen, sagt Mithu Sanyal bei ihrem Referat im Düsseldorfer Schauspielhaus. Doch in Zeiten von Hanau, Lesbos und Delhi sei es schwer, über Sex und Geschlechtsteile zu sprechen. Und doch hängen diese aktuellen Ereignisse auch mit Feminismus zusammen, sagt die Düsseldorfer Kulturwissenschaftlerin. Etwa darin, mit welcher Haltung man aktuellen Problemen begegnen kann.

 Zum Internationalen Frauentag haben das Gleichstellungsbüro der Stadt und Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke wieder zur Feierstunde eingeladen. Bereits zum sechsten Mal gab es eine größere Veranstaltung am Internationalen Aktionstag, zum zweiten Mal fand dieser im Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz statt. Neben dem Vortrag der Kulturwissenschaftlerin Mithu M. Sanyal kamen bei einem Podiumsgespräch noch weitere Meinungen zum Thema Feminismus zu Wort und auch verschiedene Düsseldorfer Organisationen konnten sich bei der Veranstaltung präsentieren, bei der jeder Beitrag auch für Gehörlose gedolmetscht wurde.

Mithu Sanyal kritisiert eine ‚“Empathie-Ökonomie“

Die Haltung, von der Mithu Sanyal spricht, ist ein grundsätzlich respektvoller Umgang mit der Welt und den anderen Menschen. Denn nur mit Gleichberechtigung oder etwa damit, die Lücke bei den Löhnen zwischen Männern und Frauen zu schließen, sei es nicht getan. Und wenn nun rechte Gruppierungen Frauenrechte für sich entdecken, „den braunen Mann als Gefahr für die blonde Frau“ ausmachen und multikulti als Bedrohung für Frauenrechte sehen, spricht Sanyal von Empathie-Ökonomie. Als hätten nur manche Menschen Mitgefühl und Hilfe verdient. „Wir müssen andere Botschaften senden“, sagt die Düsseldorferin.

 Auch beim Podiumsgespräch wird deutlich: Feminismus kämpft nicht nur für Frauen. „Feminismus muss intersektional sein“, sagt Carissa Wagner, Jugendbildungsreferentin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Düsseldorf. Das heißt, es gehe nicht nur darum, gegen Ungleichbehandlung und Sexismus zu kämpfen, sondern gegen jede Art von Diskriminierung  – etwa auch gegen Rassismus, Homophobie und Ableismus, also der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. „Wir müssen mehr zuhören, welche Diskriminierungserfahrungen jemand gemacht hat und daraus lernen.“

 Gleichzeitig müsse man auch seine eigene Blase verlassen und sich auf Begegnungen mit Menschen, die anders denken, einlassen, findet die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah, die von einem Gespräch mit zwei Jugendlichen im Schwimmbad erzählt. Die waren – wenn auch etwas frech – daran interessiert, dass die Journalistin sich selbst nicht als Frau oder Mann identifiziert. „Manchmal muss man sich auch die Energie nehmen, solche Erklärarbeit zu machen“, sagt sie.

„Düsseldorf ist noch immer eine Männergesellschaft“

 Tarik Tesfu, der ebenfalls auf dem Podium im Schauspielhaus sprach, sieht da vor allem die „Allies“ in der Pflicht. Also die, die vielleicht nicht selbst von Diskriminierung betroffen sind, aber mitbekommen, wie es anderen damit geht. „Die müssen mehr mitdiskutieren und unterstützen“, sagt der Video-Kolumnist.

Im Endeffekt gehe es um Solidarität, findet auch Carissa Wagner. „Nicht jede Frau muss meine Freundin sein“, sagt sie. Aber wenn es darum gehe, für etwas einzustehen, müsse man trotzdem Seite an Seite kämpfen. Und das nicht nur am Internationalen Frauentag - oder Frauenkampftag.

 Das Publikum der Feierstunde ist bunt durchgemischt besetzt - wenn auch mehrheitlich von Frauen. Die aber aus verschiedenen Altersgruppen. Auch Ulrike Schneider, Vorsitzende des Düsseldorfer Seniorenbeirats kommt zum Ende des Podiumsgesprächs noch aus dem Publikum zu Wort. Viele der Vokabeln, die die jungen Diskutierenden verwendet hätten, seien ihr fremd – gemeint sind wahrscheinlich Worte wie Cis-Männer, POC oder queer. Dennoch steht auch sie hinter dem Thema Feminismus. „Düsseldorf ist noch immer eine Männergesellschaft“, sagt sie. Auch in der Öffentlichkeit seien Männer wesentlich sichtbarer als Frauen.

 Seit sie selbst jung war, habe es schon einige Fortschritte gegeben. „Es hat sich viel geändert, aber noch nicht genug“, sagt sie.