Wenn Gassi gehen zur Berufung wird

Katharina Will hat ihre Arbeit als Grafikerin beendet, um Hunde zu betreuen. Was dabei wichtig ist, erklärt sie bei einem Spaziergang.

Foto: Sergej Lepke

„Nicht die Hunde sollen mich bewegen, sondern ich die Hunde. Dafür muss ich in meiner Mitte sein“, sagt Katharina Will. Das erscheint gar nicht so einfach — klappt aber trotzdem. Drei bis vier Leinen hält Will an diesem Nachmittag in jeweils einer Hand. Die Hunde, die sie führt, bilden einen bunten Haufen. Und aufgeregt, denn es hat geschneit. „Nala, Bailey, Jerry, Cosmo“ — Will spricht ihre Schützlinge gerade zu Beginn der großen Gassi-Runde laufend an. Darunter kleine große, ältere und jüngere Tiere verschiedenster Rassen.

Katharina Will ist Hundebetreuerin in Ludenberg. Ihre Kunden sind meist Hundehalter, die ihre Vierbeiner während der Arbeit in guten Händen wissen wollen. Viele kommen aus dem Umkreis, arbeiten in Düsseldorf und bringen ihre Vierbeiner vor dem Weg ins Büro vorbei. Andere geben ihren Hund etwa zweimal in der Woche ab, damit das Tier in Gesellschaft von anderen Hunden ist. Bis zu zehn Tiere betreut Will täglich, von Montag bis Freitag, ab sieben Uhr morgens bis zum Abend. Pro Tag kostet die Betreuung 34 Euro. Dafür füttert Will unter anderem die Hunde, schickt den Besitzern Fotos per Handy und gibt Ihnen bei Bedarf auch Tipps zum Umgang. Immer im Blick hat sie die Vierbeiner auch auf dem Weg zu den nahegelegenen Grünflächen des Wildparks Grafenberger Wald.

Will wirkt konzentriert. Sobald ein Tier eine unsichtbare Linie vor ihr überschreitet, stoppt sie die ganze Gruppe. „Die konzentrierte Arbeit bei der Leinenführung ist das A und O“, sagt die 47-Jährige. Die Hunde mittels Muskelkraft zu halten, wäre unmöglich. Will entscheidet, wer wo seinen Platz an der Leine hat. Neue Hunde werden auch durch die Gruppe erzogen. „Sie schauen es sich voneinander ab“, erklärt Will. Auch Vierbeinern, die normalerweise Stress mit anderen Hunden haben, könne sie mit Unterstützung der Gruppe so bei der „Sozialisierung“ helfen.

Dann ermahnt sie wieder ein paar ihrer Schützlinge zur Aufmerksamkeit: „Jerry, Cosmo, Taka“. Es geht durch ein Waldstück. Der Moment ist gekommen, auf den die Vierbeiner gewartet haben. Will löst bei einem Hund nach dem anderen den Verschluss, der die Leine am Halsband hält. Doch nichts passiert. Die Hunde bleiben sitzen, warten auf ein Zeichen der 47-Jährigen. Auf „los“ geht es los. Alle rennen. Die meisten kommen nicht weit. Sie suchen sich einen Baum, ein Bäumchen oder einen im Wald liegenden Ast, um sich zu erleichtern. Das Gewerbe „Grüne Hunde“ gründete die gelernte Grafikdesignerin vor rund sechs Jahren. Erfahrungen im Umgang mit den Tieren hat sie unter anderem bei der Erziehung ihrer eigenen Hunde gesammelt. Wer seinen Vierbeiner in ihre Obhut geben möchte, wird zu einem Kennenlerntermin geladen. Danach gibt es einen Probetag für das Tier. „Hunde verhalten sich ganz anders, wenn das Herrchen nicht dabei ist“, sagt Will. Ein Hund werde nur aufgenommen, wenn „die Chemie passt“ Kunden würden durch Empfehlungen oder durch ihre Internetseite auf sie aufmerksam. Die Nachfrage sei groß. Bis zu fünf Anfragen erhalte sie pro Woche.

Im Internet gibt es auch Plattformen, auf denen unterschiedlichste Menschen Hundebetreuung anbieten. Will empfiehlt, sich auch die Hunde vor Ort genau anzusehen, etwa ob sie einen entspannten Eindruck machen. Ihr Angebot wurde vom Amt für Verbraucherschutz überprüft.

Ein Qualitätsmerkmal, an dem sich Hundebesitzer orientieren können. Für 29 Hundetagesstätten und -pensionen in Düsseldorf wurde eine Erlaubnis erteilt, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. Reine „Gassi-Geh-Services“ benötigen hingegen keine Genehmigung. Obwohl das Spazieren mit mehreren Tieren eine Herausforderung darstellen kann. Die Gruppendynamik sei entscheidend, erklärt Will. Schließlich gilt es, auch in schwierigen Situationen die Tiere beruhigen zu können. Etwa, wenn ein fremder Hund in die Gruppe stürmt.

Zurück im Wohnzimmer von Will machen es sich die Vierbeiner in einem der zahlreichen Körbchen gemütlich. „Spazierengehen ist Party, jetzt ist Ruhe angesagt“, sagt Will. Freude bereite ihr die Tätigkeit auch, weil es von den Tieren viel zu lernen gibt. „Die Hunde sind wie ein Spiegel unserer Selbst“, sagt Will.