Kultur in Zeiten der Corona-Pandemie Wie das Schauspielhaus Düsseldorf im Home Office weiterarbeitet
Düsseldorf · Großes Theater geht nicht von zu Hause aus? Geht es doch. Das Schauspiel probt jetzt per App, die Maskenbildner der Oper knüpfen Perücken im Wintergarten.
Es gibt Berufe, bei denen liegt auf der Hand, dass sie fürs infektionssichere Home Office nicht taugen. Krankenschwester zum Beispiel, Pilot oder Malermeister. Maskenbildner klingt auch nach einem solchen Job, der einfach nicht von zu Hause aus zu erledigen ist. Ist er aber eben doch. In diesen Krisenzeiten, in denen Kulturstätten wie alles andere geschlossen sind, die Bühne nicht frei, sondern leer ist, gehen auch die Kreativen vor und hinter den Kulissen neue Wege. So werden im Wintergarten Perücken tressiert, im Wohnzimmer Mundschutze genäht und Szenen für die neue Produktion nach der Krise per Videokonferenz einstudiert.
Nach „Terror“, bei dem das Publikum selbst zum Richter wurde, steht auf dem Spielplan des D’haus mit „Gott“ erneut ein Werk von Ferdinand von Schirach. Es geht um die Frage, ob ein Arzt Beihilfe zum Suizid leisten darf – und wieder ist die Meinung der Zuschauer gefragt, diesmal als fiktives Mitglied des Ethikrates. Für Regisseur Robert Gerloff war das aktuelle Auf-Eis-liegen des öffentlichen Lebens kein Grund, auch die Arbeit an diesem Stoff auf Eis zu legen. „Ich habe das Glück, einen Schirach zu produzieren und keinen Shakespeare“, sagt er und meint: Hier kommt es eher auf den Austausch von Argumenten als von Zärtlichkeiten an. Während Letzteres sich in Zeiten sozialer Distanzierung verbietet, ist Erstes dank moderner Technik heute möglich.
Und so trommelte Gerloff seine Schauspieler zu Videokonferenzen über eine App zusammen, um leidenschaftliche Auseinandersetzungen vor dem Ethikrat zu simulieren. „Man kann sich ja auch am Telefon sehr emotional streiten“, meint er. „Die Schauspieler haben kein Problem, in ihren Laptop zu schreien.“ Die Proben seien trotz Distanz höchst persönlich. „Die Einschränkungen bringen eine große Konzentration auf die Dinge, die man noch machen kann“, glaubt der Regisseur. Argumentationslinien, Text, Aussprache stehen jetzt im Vordergrund. „Man wird bei der Premiere sehen, dass der Weg ein anderer war als sonst. Im Guten“, glaubt Gerloff. Einzig wann diese stattfinden kann, steht naturgemäß noch in den Sternen. Aber: „Für uns als Gruppe ist es positiv, dass es keinen Stillstand gibt!“
Auch für Bernd Staatz, Chef-Maskenbildner der Rheinoper, und sein Team ist Home Office in diesen Tagen nicht nur Option, sondern Pflicht. „Wir machen die Leute ja nicht nur schön, sondern müssen sie rollengerecht gestalten“, erklärt er. Schminken im Theater ist deshalb nur ein kleiner Teil der Arbeit. Ansonsten müssen lange Haare, Glatzen, hier ein spitzes Kinn, dort eine große Nase gezaubert werden. „Das ist Handwerk“, sagt Staatz. „Zum Glück habe ich gute Leute.“ Da stimme die Qualität auch, wenn man nicht permanent draufschaue. Zweimal in der Woche ist er mit Unterstützung in der Oper und gibt Material an seine 25 Mitarbeiter aus. Dann werden bei einem zu Hause etwa die Monturen für künftige Perücken angefertigt, der nächste spannt die Haare dafür auf Tressierrahmen zwischen Couch und Fernseher. „Ein Wohnzimmer arbeitet fürs nächste“, lacht der Chef. Er selbst hat seinen Wintergarten zum Zentrum falscher Haarpracht umfunktioniert. „Es ist ein ganz neuer Prozess. Und es läuft – aber es ist wahnsinnig anstrengend.“
Eine große Herausforderungen wird eine große Masse an künstlichen Sahnehäubchen, die es für eine Produktion geben muss, welche der designierte Ballettdirektor Demis Volpi in die nächste Spielzeit mitbringen wird. Um welches Stück es dabei geht, wird aber noch nicht verraten. Nebenbei muss Staatz für seine beiden Maskenbildner-Azubis Aufgaben koordinieren – einer lernt an der Berufsschule Hamburg, die voll digital aufgestellt ist, der andere in Baden-Baden, wo jeder Lehrer separat sein Material zuschickt. „Das hält mich ganz schön auf Trab“, gibt Staatz zu. „Aber ich will auf keinen Fall, dass den Auszubildenden am Ende etwas fehlt.“
Schneider der Oper nähen jetzt im Akkord Mundschutze
Während die Maskenbildner voll im Einsatz für die Bühne sind, wandelt die Kostümabteilung der Oper auf karitativen Abwegen: Die Mitarbeiter haben sich dazu entschlossen, ihre Nähkünste in die Produktion von dringend benötigten Mundschutzen zu investieren. Auch das natürlich im Home Office. Die Anfrage kam über den Mann einer Mitarbeiterin, der bei den Maltesern ist. „Der Bedarf ist riesig groß“, sagt Stefanie Salm, Leiterin der Kostümabteilung. 400 Masken wurden dem Hilfsdienst bereits übergeben, inzwischen seien Arbeiter-Samariterbund und Caritas auf sie zugekommen und meldeten Nachfrage an.
Die Produktion von Kostümen muss vorübergehend warten. „Jeder, der zu Hause eine Nähmaschine hat, näht“, sagt Salm. Die anderen fahren per Rad oder Auto Stoffe und Gummis herum oder holen fertige Mundschutze ab. „Es ist ein toller Hype“, hat die Chefin erlebt. „Jeder arbeitet einzeln, aber alle trotzdem irgendwie zusammen.“ Teamarbeit geht auch in Heimarbeit.