Wie ein altgedienter Pfarrer abgeschoben wird

Friedhelm Keuser war 38 Jahre lang im Dienst der Kirche Seelsorger im Norden der Stadt. Mit 74 musste er die Schlüssel abgeben und wegziehen.

Foto: David Young

Düsseldorf. Nach seiner letzten Messe in der Kirche Heilige Familie in Stockum musste Dechant Friedhelm Keuser alle Schlüssel der Kirchen abgeben und sein Wohnhaus verlassen. Er möge sich außerhalb Düsseldorfs eine Bleibe suchen, hatte ihm sein Dienstherr, die katholische Kirche, gesagt. Die Weisung zur Schlüsselübergabe bekam der Pensionär sogar schriftlich. 38 Jahre lang hatte er die Gemeinden in Stockum und Lohausen, später auch in Golzheim, Unterrath und Lichtenbroich hingebungsvoll geleitet. Nun gingen alle Kirchen- und Hausschlüssel an den Stellvertreter im Kirchenvorstand; Kirchenvorsteher war er bis dahin selbst.

Seit 1997 gibt es die Emeritierungsordnung für Priester. Sie legt fest, dass der Pfarrer mit seiner Pensionierung aus dem Pfarrhaus auszieht. Ein radikaler Schritt ist dies, im Alter seinen Heimatort verlassen zu müssen. Als einige Pfarrer ihren neuen Wohnsitz dennoch in ihrem bisherigen Seelsorgebereich nahmen, wurde der Priesterrat 2008 mit knapper Mehrheit noch strenger. Danach soll der altgediente Pfarrer nicht nur sein Haus verlassen, sondern auch den Seelsorgebereich. Ob Paul-Ludwig Spies in Bilk, Wilhelm Terboven in Eller, Herbert Schlömer in Heerdt oder Heinz Schmidt in Unterrath, sie alle verließen ihren Sprengel.

So verschwand jetzt auch Friedhelm Keuser. Er schmiss ein Drittel seiner Bücher und viele andere Dinge weg und zog in die kleinere Wohnung ins ruhige Lintorf. Fern von seiner Gemeinde, die ihm auch Familie war. Die WZ besuchte ihn dort, um zu erfahren, wie er in seiner neuen Heimat klar kommt.

Keuser sitzt im gemütlichen Sofa, umgeben von einem großen Bücherregal, und erklärt: „Wenn man so lange an einem Ort gewirkt hat wie ich, kennt man viele Leute und teilt mit ihnen Freud und Leid. Nun bin ich aus dem sozialen Netz gefallen. Ich habe kaum eine Familie. Ich bin allein.“ Als müsse er sich selbst trösten, fügt er hinzu: „Dennoch freue ich mich über die schöne, lichte Wohnung. Und ich halte mit 74 Jahren noch fast jeden Tag einen Gottesdienst. Ich bin froh, dass ich gebraucht werde. Dadurch lerne ich neue Menschen kennen, denn der Kontakt zum Freundeskreis der alten Gemeinde ist nicht mehr so intensiv.“ Dann kommt wieder dieser Satz: „Ich bin hier einsam. Ich hoffe, dass sich das im Laufe der Zeit ändert.“

Innerlich bäumt er sich auf, wenn er sagt: „Ich habe drei Mal erlebt, dass der Vorgänger nicht weggezogen ist, und es hat immer geklappt. Es gab keine Reibereien mit dem jüngeren Pfarrer. Ein Beispiel ist Matthias Beckers aus Stockum. Er blieb. Als er krank wurde, war ich sein Nachfolger und der einzige, der ihn füttern durfte. Wir hatten ein Vater-Sohn-Verhältnis.“

Nun widersetzt sich ausgerechnet der pensionierte Kölner Erzbischof selbst dieser Regel. Joachim Meisner wohnt weiterhin unweit vom Dom. Prompt fragt das Redaktionsteam im Pfarrbrief Heilige Familie mit leichter Ironie, ob hier mit zweierlei Maß gemessen werde, nach dem lateinischen Motto „quod licet Iovi, non licet bovi“ („Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt.“)

Eine Korrektur der Emeritierungsordnung ist indes nicht in Sicht. Stadtdechant Rolf Steinhäuser nimmt es gelassen. Für ihn ist es ja nicht die erste Verabschiedung eines alten Pfarrers. Vielleicht denke der neue Bischof Rainer Maria Wölki an Änderungen, sagt er.

Lothar Theilig aber prangert im Gemeindeblatt diese „Normalität in der katholischen Kirche“ an. Er schreibt: „Das Schlimme aber ist: Es macht noch nicht einmal jemand seiner Empörung über diese Vorgehensweise Luft.“