Herr Rauterkus, die Lage in der Wirtschaft ist angesichts der aktuellen Krise angespannt – was macht das mit Düsseldorf?
Interview mit dem Wirtschaftsdezernenten „Wir setzen gerade einen Masterplan auf“
Interview | Düsseldorf · Der Wirtschaftsdezernent über die Digitalisierung im Rathaus und die Lage der Unternehmen in der Stadt.
Nicole Lange stellte die Fragen
Michael Rauterkus: Düsseldorf hat einen sehr gesunden Branchenmix. Deswegen dürfen wir hoffen, dass unsere Stadt besser aus der Krisenzeit herauskommt als viele andere. Aber die bundesweiten und internationalen Einflüsse sind natürlich auch hier vorhanden. Dies spiegelt auch der IHK-Herbstbericht wider. Der Geschäftsklima-Index geht so dramatisch nach unten, wie man es seit Jahren nicht gesehen hat. Das geht auch an einer wirtschaftlich starken Stadt wie Düsseldorf nicht spurlos vorbei, beispielsweise wenn die Investitionen in neue Techniken ausbleiben. Und genau diese sind es, die wir mittelfristig für die Transformation des Industrielandes NRW benötigen.
Sie sprechen das Thema Industrie an. Hier hatte Düsseldorf aber schon vor der Krise eine Reihe von Abwanderungen zu verschmerzen. Woran liegt das?
Rauterkus: Vorab eines: Ich sehe den Branchenmix auch nach dem Aus von Vallourec immer noch als solide an. Ein bleibendes Problem aufgrund der Größe unserer Stadt ist natürlich, dass wir leider bei großflächigen Ansiedlungen und Erweiterungen nicht mithalten können – und produzierende Unternehmen benötigen oft Platz. Deswegen ist uns auch das Bekenntnis so wichtig, dass der Vallourec-Standort in Rath eine Industriefläche bleiben soll; denn Flächen dieser Art und Größe sind bei uns selten. Im Fall von Vallourec muss man aber sagen, dass die Einflussmöglichkeiten der Stadt angesichts der Entscheidung des Konzerns extrem begrenzt waren. Unsere Energiepreise konnten auch schon vor Jahren nicht mit denen in Brasilien mithalten, wohin nun die Produktion verlegt wird.
In Düsseldorf konkurrieren auch regelmäßig Handwerk, Kleingewerbe und Wohnen um Flächen. Werden wir hier öfter Konflikte sehen?
Rauterkus: Ich würde es nicht als Konfliktsituation, aber als eine Konkurrenzsituation sehen. Das Ringen um knappe Flächen ist ein sensibles Thema, bei dem wir alle Seiten im Blick haben müssen. Deswegen sind wir gerade auch dabei, zusammen mit der Handwerkskammer und der Kreishandwerkerschaft einen Masterplan aufzusetzen, wie es ihn für die Industrie schon gibt. Wir brauchen diesen Plan, damit Belange des Handwerks noch stärker und noch früher bei der Stadt platziert werden können.
Unterdessen hat sich der Tourismus in Düsseldorf viel besser erholt, als man es während der Corona-Krise erwartet hatte. Haben wir trotzdem zu viele Hotels?
Rauterkus: Wir haben in der Hotellerie einen gesunden Mix mit einem breiten Angebot über alle Kategorien hinweg, was auch die nach wie vor angemessenen Zimmerpreise hier in Düsseldorf zeigen. Ob ein neues Hotel gebaut wird, ist aber eine unternehmerische Entscheidung der Investoren oder der Betreiber, die diese anhand von Zahlen treffen. Die Politik nutzt an ausgewählten Stellen die Möglichkeit, dort zu widersprechen, wo das nötig ist – diesen Fall hatten wir etwa an der Moskauer Straße, wo schon zwei große Hotels nah beieinander entstanden sind und ein weiteres geplant werden sollte.
Ist die Stadt dadurch unter Druck, weil diese Hotelbetten auch gebucht sein wollen?
Rauterkus: Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, für einzelne private Unternehmen die Gäste zu werben. Trotzdem ist ein lebendiger Tourismus natürlich auch für uns als Stadt sehr wichtig – wir sind bei den Übernachtungen im August 2022 schon 5,8 Prozent über dem Wert von 2019 und haben doppelt so viele Anmeldungen von Reisebussen für den Weihnachtsmarkt wie im vergangenen Jahr. Leider haben wir auch in diesem Bereich Unsicherheitsfaktoren, zuvorderst natürlich die galoppierende Inflation.
Wie digital ist unsere Stadt im Vergleich aufgestellt?
Rauterkus: Wenn wir konkret auf die innere Verwaltung schauen, sind wir schon sehr digital unterwegs, wie gerade erst der Smart City Index belegt. Das Bild vom Öffentlichen Dienst, wo alle noch mit dem Aktenwagen unterwegs sind, stimmt schon lange nicht mehr. Es gibt aber auch noch viele andere Player in unserer Stadt, die zu diesem Thema beitragen und die wir noch besser vernetzen wollen – denken Sie an die Uniklinik oder an das Zukunftsviertel, das wir zusammen mit den Stadtwerken angehen. Für die Bürger ist die digitale Aufstellung der Stadt natürlich besonders da wichtig, wo sie selbst es am ehesten spüren, wenn sie etwas benötigen – deswegen ist der Blick darauf leider oft noch sehr kritisch, obwohl wir schon viel erreicht haben.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Rauterkus: Da wäre der Online-Traukalender, der sehr aufwendig in der Vorbereitung war. Damit können sich Paare jetzt vom Sofa aus Trauorte und Termine anschauen. Seit der Traukalender scharfgeschaltet ist, werden 90 Prozent der Termine darüber eingestellt und das Standesamt bekommt Dankesschreiben. So etwas hat es in dieser Form noch nicht gegeben. Aber wenn Sie nicht heiraten wollen, dann bekommen Sie von diesem neuen Service nichts mit. Deshalb arbeiten wir auch daran, unsere Digitalen Services noch besser nach außen zu vermarkten.
Aber es gibt ja auch Dinge, die noch nicht so gut laufen, etwa die Terminvergabe für die Bürgerbüros.
Rauterkus: Wir hatten in diesem Jahr eine große Herausforderung, weil nach Corona viele Menschen ihre Dokumente verlängern oder neu beantragen mussten. Dem sind wir mit unserem Pop-up-Bürgerbüro entgegengetreten. Natürlich würden wir das ganze System an sich gerne noch weiter digitalisieren, aber der Bund schreibt uns beispielsweise vor, dass ein Personalausweis auch weiterhin nur nach persönlicher Vorsprache zu erhalten ist.
Ist es nicht ärgerlich, dass die Software bei der Suche nicht ermöglicht zu filtern, in welchem der Düsseldorfer Bürgerbüros man einen Termin will?
Rauterkus: Wir haben versprochen, dass wir das möglich machen werden – momentan greift der Filter noch nicht, weil wir zwei Systeme im Einsatz haben. Bilk und Oberkassel sind schon auf unser neues System umgestellt, die anderen Bürgerbüros noch nicht. Das soll aber noch in diesem Jahr passieren. Es hat sich aber klar bewährt, dass wir das neue System zunächst nur im Straßenverkehrsamt ausgerollt haben, denn seither haben wir hunderte Korrekturen und Nachbesserungen vorgenommen. Diese Vorsicht in einem so sensiblen Bereich ist also angebracht.
Trifft der Fachkräftemangel unsere Stadt eigentlich besonders hart, weil Düsseldorf eine so teure Wohnstadt ist?
Rauterkus: Ich bezweifle, dass das der entscheidende Faktor ist. Die Unternehmen bekommen tatsächlich nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzt, aber da spielt eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle. Neben den Mieten sind das beispielsweise auch gestiegene Mobilitätskosten und allgemein die Tatsache, dass es überall zu weniger Bewerber gibt. Unsere Düsseldorfer Unternehmen und auch die Kammern haben aber schon alle Hebel in Bewegung gesetzt, um kreativ für ihre Ausbildungsangebote zu werben und junge Leute zu gewinnen.
Wie läuft es bei der Stadt selbst? Sie sind an Tarifverträge gebunden und können beispielsweise ja nicht mit besseren Gehältern als umliegende Städte werben...
Rauterkus: Das stimmt, aber wir können durchaus sagen, dass wir den Tarifvertrag im positiven Sinne ausschöpfen – also schauen, dass Stellen angemessen bewertet werden und die Bewertung regelmäßig überprüft wird. Das hilft nicht nur, neue Leute zu gewinnen, sondern auch, zufriedene Mitarbeiter auf Dauer zu halten.