Wöllis Ziel: Mit 61 der Newcomer des Jahres
Düsseldorf. Am Freitag erscheint das Debutalbum von Wolfgang "Wölli" Rohde, dem früheren Schlagzeuger der Toten Hosen. Im Interview spricht er über seine Zeit nach dem Ausstieg, seine heutige Beziehung zur ehemaligen Band und seine Pläne für die Zukunft.
Herr Rohde, Debütalbum mit 61 — wie wild schlägt das Musikerherz in Ihnen?
Wölli Rohde: Nach der Veröffentlichung der Single kribbelt es mächtig. Ich hätte nicht gedacht, dass es so aufregend ist, als Newcomer durchzustarten.
Wie ist die Idee zum Album entstanden?
Rohde: Es kribbelt ja schon länger. Nach meinem Ausstieg bei den Hosen vor elf Jahren habe ich mich mit „Rock am Turm“ in Meerbusch dem Nachwuchs angenommen und dafür einen Musikverlag sowie ein Label gegründet. Aber es ist wie beim Fußball: Keiner hockt gerne nur auf der Bank und guckt den anderen beim Spielen zu.
Ist die CD so etwas wie eine Autobiografie?
Rohde: Auf jeden Fall. Wenn ich mit den jungen Bands zusammengesessen bin, hat sich schnell eine Art Märchenstunde entwickelt. Ich hatte immer etwas zu erzählen aus meiner Geschichte als Musiker. Und die Jungen haben gesagt: „Hi alter Mann, das musst Du doch der Nachwelt erhalten, mach doch mal was draus.“ Dann kam die Idee mit einem Buch. Es gab erste Kontakte zu einem Verlag, doch die wollten nur ein Enthüllungsbuch zu den Hosen. Das habe ich aber kategorisch ausgeschlossen. Mit den Hosen habe ich die 15 schönsten Jahre meines Lebens erlebt, das macht man doch nicht wegen einem blöden Buch kaputt. Und jetzt sind die Geschichten auf dem Album gelandet.
Würden Sie alles nochmal so machen, wie Sie es gemacht haben?
Rohde: Ja, ohne eine Sekunde drüber nachzudenken! Es geht nicht besser. Ich bin ein total glücklicher Mensch und dankbar für das, was ich in meinem Leben erleben durfte. Ich freue mich auch auf das, was jetzt ansteht, auch wenn ich etwas Angst habe. Früher konnte ich mich bei den Hosen hinter meinem Schlagzeug verstecken, jetzt stehe ich ganz vorne am Bühnenrand. Das ist Neuland für mich.
Hatten Sie nie den Wunsch, einmal den Part von Campino zu übernehmen?
Rohde: Nein, den Wunsch hatte ich nie. Wir haben den Aufstieg der Band über viele Jahre gemeinsam erlebt. Campino war da unser Aushängeschild. Alle haben sich um ihn gerissen, dafür konnten wir uns als Rest der Band ziemlich frei bewegen. Wir waren nie was Besonderes, nur eine Band, die viel Glück gehabt, aber auch hart gearbeitet hat. Jetzt bin ich mal in der Rolle von Campi und schaue, ob mir das gefällt oder nicht (lacht).
Nächstes Jahr steht bei den Hosen das große Jubiläum an. Welche Rolle übernehmen Sie dabei?
Rohde: Ich weiß noch nicht, was die Jungs vorhaben. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass wir etwas gemeinsam machen. Die Zusammenarbeit war auch jetzt bei meinem Album sehr gut. Vielleicht spiele ich mit meiner Band hin und wieder im Vorprogramm oder vielleicht tritt Campi oder Vom auch mal mit uns auf, wir haben ja ein gemeinsames Lieder auf dem Album.
Wie schwer war es für Sie, 2000 bei den Hosen auszusteigen?
Rohde: Ich hatte gerade die Bandscheibenvorfälle überwunden. Der Unsicherheitsfaktor bei meinen Einsätzen auf der Bühne war aber geblieben. Dann kam im Mai 2000 der Autounfall, der meine Drummerkarriere beendet hat. Vom war für mich nie nur ein Ersatzmann, sondern eine echte Bereicherung für die Band. Es war einfacher, den Hocker hinterm Schlagzeug aufzugeben, wenn sich ein Freund drauf setzt. Vielleicht hat mir der Unfall geholfen, loszulassen. Ich habe deshalb nie mit meinem Schicksal gehadert.
Aber die Freundschaft zur Band ist immer geblieben?
Rohde: Das war die ganzen Jahre so und ich bin ja heute immer noch Ehrenmitglied bei den Hosen. Ich war da nie ganz raus. Das hat sich auch bei meinem Album gezeigt. Ich war Ende Februar noch mal im Studio, wo die Hosen auch gerade Demos aufgenommen haben. Mit Campino zusammen bin ich nochmal die Texte durchgegangen und wir haben gemeinsam den Feinschliff erledigt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, seine große Erfahrung hat mit als Neuling sehr geholfen. Kuddel hat dann noch mal eine Gitarre drauf gespielt und die anderen standen als Chor zur Verfügung. Das war fast wie früher im Studio.
Bei den Hosen-Fans sind Sie ja auch unvermindert hoch im Kurs.
Rohde: Das erstaunt mich auch immer wieder. Aber das Publikum der Hosen ist einmalig, wen die ins Herz schließen, lassen sie nie mehr los. Das ist wie eine große Familie.
Sie sind gebürtiger Kieler. Haben Sie sich an Düsseldorf und das Rheinland gewöhnt?
Rohde: Das ist ja schon eine Weile her, dass ich Kiel verlassen habe. 1968 bin ich wegen der Wehrpflicht nach Berlin gegangen und bin dort 18 Jahre geblieben. 1986 kam der Ruf vom Rhein und seitdem lebe ich hier. Ich habe den Umzug nie bedauert, auch wenn es anfangs nicht ganz einfach war. Hier habe ich Alt kennengelernt und viele andere schöne Sachen.
Wie geht ein Punkrocker mit dem Alter um?
Rohde: Ich merke das gar nicht so, außer dass das Ersatzteillager langsam größer wird. Erst kam die Lesebrille, dann die Gläser mit Gleitsicht. Schwerhörigkeit wird leider auch zum Thema. Ich war gerade beim Arzt und habe einen Hörtest machen lassen und der fiel nicht optimal aus. Damit ist das Hörgerät quasi auch schon bestellt. Stents haben sie mir auch schon gesetzt, weil meine Herzarterie langsam zuging. Aber das Ganze stört mich nicht groß, solange sich mein Handlungsspielraum dadurch nicht verkleinert. Ich bin immer noch etwas durchgeknallt und habe ganz viel Spaß am Leben. Außerdem hat mich die Arbeit mit jüngeren Leuten wie früher bei den Hosen und heute im Label irgendwie konserviert.
Können Sie etwas mit dem Begriff Altersweisheit anfangen?
Rohde: Nur wenn man schon länger gelebt und mehr Erfahrungen hat, muss man nicht unbedingt weise sein. Das sieht man doch in unserem Land, wo es viel zu viel Alte gibt, die vom Leben einfach enttäuscht sind und nur den Satz wiederholen „Früher war alles besser“. Das ist definitiv nicht mein Leben. Man muss offen sein und sich auf jeden Tag freuen.
Haben Sie noch einen Traum, den Sie sich erfüllen wollen?
Rohde: Ein richtigen Traum habe ich noch (lacht): Ich habe vor einigen Jahren mit den Hosen die Eins-Live-Krone für das Lebenswerk entgegen genommen. Jetzt möchte ich mit meinem Debüt gerne noch die Krone für den besten Newcomer bekommen. Das wäre ein Ziel mit 61.
Was sagen Ihre beiden Söhne zu dem Debüt ihres Vaters?
Rohde: Joey ist gerade 14 geworden und Alexander ist 21. Der Jüngere fand das von Anfang an ganz gut, was der Alte da macht. Der Große, der ganz andere Interessen hat und ganz andere Musik hört, hat ein Weilchen gebraucht, ist aber inzwischen wirklich Fan von mir. Wenn in der Stadt irgendwo Aufkleber von uns hängen, war mein Sohn bestimmt da. Alexander ist immer mehr in Richtung HipHop abgedriftet, jetzt hört er gerne wieder Foo Fighters oder andere Rockmusik. Da kann man als Vater doch ganz zufrieden sein.