Erzbistum Köln Der Fall Hennes wird Rom beschäftigen
Düsseldorf · Der Priester will sowohl gegen seine Entpflichtung als Düsseldorfer Stadtdechant als auch gegen die Amtsenthebung als Pfarrer vorgehen.
Sowohl die Entpflichtung des Düsseldorfer Stadtdechanten Ulrich Hennes durch den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki als auch das gegen Hennes eingeleitete Amtsenthebungsverfahren als Pfarrer wird Rom beschäftigen. Hennes‘ Kölner Anwalt Peter Schnatenberg bestätigte am Donnerstag, dass sein Mandant gegen beide Entscheidungen die nach kirchlichem Recht möglichen Rechtsmittel einlegen werde. Für die Dauer des Berufungsverfahrens bleibe die bereits am 19. März erfolgte Beurlaubung des Pfarrers wirksam.
Nach Schnatenbergs Angaben habe es am Mittwoch ein Gespräch in Köln gegeben, in dessen Verlauf Hennes angeboten worden sei, auf seine Ämter freiwillig unter Anerkennung einer Schuld zu verzichten. In diesem Fall gäbe es für ihn eine Zukunft als Priester im Erzbistum Köln. Andernfalls sei von Generalvikar Markus Hofmann eine scharfe Pressemitteilung in Aussicht gestellt worden.
Erzbistum erwirkt
einstweilige Verfügung
Gegen diese Darstellung erwirkte das Erzbistum Köln nach eigenen Angaben am Donnerstag eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln. Demnach darf auch nicht weiter, wie in der Pressemitteilung der Kanzlei Schnatenberg verbreitet, behauptet werden, Grund für die Fortdauer von Hennes’ Beurlaubung solle „eine völlig an den Haaren herbeigezogene Mitteilung eines Mannes bezüglich eines angeblichen einmaligen und einvernehmlichen sexuellen Kontakts unter Erwachsenen im Jahr 2001“ sein. Nach Darstellung des Erzbistums hatte der Generalvikar am Mittwoch Hennes in einem persönlichen Gespräch die Chance eingeräumt, „sich zu seinem Fehlverhalten zu bekennen, dafür aber auch in der Öffentlichkeit geradezustehen und Verantwortung zu übernehmen“.
Nach der anschließenden Pressemitteilung von Hennes’ Anwalt reagierte Köln dann am Mittwochabend mit der Erklärung, es lägen „gegen Hennes glaubwürdige Berichte vor, die das Vertrauen in den Priester nachhaltig erschüttern und eine Amtsenthebung durch den Erzbischof zwingend notwendig machen“. Schon im März war bei der Beurlaubung vom Vorwurf sexueller Belästigung die Rede gewesen. Damals ging es um einen angeblichen Vorfall mit einem erwachsenen Praktikanten im Jahr 2012.
In der Folge meldeten sich weitere vermeintlich Betroffene. Alle Fälle wurden, wie im Erzbistum nach den Missbrauchsfällen inzwischen Standard, zunächst an die Staatsanwaltschaft weitergereicht. Dort wurden jedoch alle Ermittlungen eingestellt, weil zumindest keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe erkennbar waren. Im Anschluss setzte die kirchenrechtliche Überprüfung ein.
Unterschiedliche Bewertung des kirchenrechtlichen Gutachtens
Anwalt Schnatenberg sieht Hennes auch durch das abschließende Gutachten des Paderborner Kirchenrechtlers Rüdiger Althaus „eindeutig“ entlastet. Im Erzbistum wird dieser Einschätzung allerdings heftig widersprochen. Woelkis Entscheidung beruht jedoch auf einem einzigen Vorfall aus dem Jahr 2001. Der Betroffene hatte sich nach den ersten Berichten vom März in Köln gemeldet. Hennes streitet ab, dass es überhaupt zu sexuellen Kontakten mit dem damals 20-jährigen Mann gekommen ist. „Das Einzige, was daran wahr ist, ist, dass Hennes 2001 mit diesem jungen Mann gekocht hat“, sagt Schnatenberg.
In Köln hört man eine andere Version: Danach habe der junge Mann bei Hennes um Rat nachgesucht, weil er homosexuell sei, aber Priester werden wolle. Hennes, damals Diözesanjugendseelsorger und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg, habe ihn zum Gespräch zu sich nach Hause eingeladen, wo es zum Sex gekommen sein soll. Weil der Mann dem nicht ausdrücklich widersprochen habe und zudem bereits volljährig gewesen sei, komme dem Vorfall zwar keine strafrechtliche Relevanz zu. Aber das Erzbistum sieht darin trotzdem ein „schweres Vergehen“, denn Hennes habe das besondere Vertrauen, das ihm als Priester in dem seelsorglichen Gespräch entgegengebracht wurde, für seine Interessen ausgenutzt.
Anders als bei den anderen Vorwürfen, die sich nicht nachweisen ließen, glaubt sich Köln diesmal auf der sicheren Seite. Nicht nur der Betroffene selbst, sondern auch fünf Zeugen, denen er zeitnah von dem Treffen mit Hennes erzählt hatte, haben eidesstattliche Versicherungen abgegeben – in Gegenwart einer Aussagepsychologin. Den jungen Mann habe das Geschehen nachhaltig beschäftigt, vom Priesterberuf nahm er Abstand. Für Anwalt Schnatenberg sind die eidesstattlichen Versicherungen außerhalb eines Gerichtsverfahrens dagegen irrelevant.
Noch ist das Amtsenthebungsverfahren gegen Hennes nicht abgeschlossen. Zunächst werden noch sogenannte Pfarrkonsultoren einbezogen, das sind Pfarrer, die den Erzbischof bei seiner Entscheidung beraten. Das Verfahren, so das Erzbistum, werde aber „nur wenige Wochen in Anspruch nehmen“. Erst wenn die Entscheidung vorliegt, kann Hennes Berufung einlegen.
Auch in Rom sind ein weiteres Mal Rechtsmittel möglich
Ähnliches gilt für die Entpflichtung als Stadtdechant. Liegt das schriftliche Dekret vor, ist nach kanonischem Recht auch hier eine Überprüfung in Rom möglich, weil es einen „gerechten Grund“ für die Absetzung geben muss. Auch gegen die Entscheidungen in Rom sind noch einmal Rechtsmittel denkbar, über die dann wiederum im Vatikan entschieden würde.
Um finanzielle Fragen gehe es Hennes dabei nicht, sagt Schnatenberg. „Auch nach einer Amtsenthebung müsste die Kirche ihn versorgen.“ Die Auseinandersetzung sei eine Frage der Ehre. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, weder strafrechtlich noch moralisch“, lässt sich Hennes durch seinen Anwalt zitieren. Kardinal Woelki erklärt dagegen: „Im vorliegenden Fall müssen wir davon ausgehen, dass ein Priester die seelsorgliche Notlage eines jungen Mannes sexuell ausgenutzt hat.“