Die Einrichtungen hätten zwar die Meldepflicht verletzt, aber nicht vorsätzlich gehandelt Fall Greta: Voraussichtlich keine Strafen für die Kitas
Kreis Viersen · . (Red/dpa) Nach dem mutmaßlichen Mord an der dreijährigen Greta in einer Kita in Viersen drohen den ehemaligen Arbeitgebern der verdächtigen Erzieherin dem Landesjugendamt zufolge keine Bußgelder oder Strafen.
Da die Kitas, in denen es zu Zwischenfällen kam, von medizinischen Vorerkrankungen bei den betroffenen Kindern ausgegangen seien, hätten sie zwar ihre Meldepflichten verletzt, aber nicht vorsätzlich gehandelt. Das sagte der Leiter des LVR-Landesjugendamtes, Lorenz Bahr, am Donnerstag im Familienausschuss des Landtages in Düsseldorf. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben bislang nicht gegen Dritte.
Forderung nach besseren
Kinderschutzkonzepten
Der Landesjugendamtsleiter forderte schärfere Meldepflichten und bessere Kinderschutzkonzepte in Kindertagesstätten. Drei von vier Kitas, in denen die tatverdächtige Erzieherin gearbeitet habe, hätten trotz gehäufter Notfälle mit Kindern keine Meldungen dazu weitergeleitet, sagte Bahr.
Das Landesjugendamt kritisierte auch, dass in Kitas keine Kinderschutzkonzepte vorgeschrieben seien. Solche Konzepte müssten aber in das Kinderbildungsgesetz aufgenommen werden, so Bahr. Außerdem sei für die Kitas in NRW eine Handreichung zu Meldepflichten erarbeitet worden. Ziel sei es, „tragische Fälle“ wie in Viersen künftig zu vermeiden. „Nichtsdestotrotz wird es immer wieder zu Fallkonstellationen kommen, an die keiner zu denken gewagt hätte“, sagte Bahr.
Die 25-jährige Erzieherin soll die dreijährige Greta in einer Kita in Viersen heimtückisch ermordet haben. Ermittler gehen davon aus, dass sie versuchte, das schlafende Kind zu ersticken. Das Mädchen war am 21. April von einem Notarzt wegen Atemstillstands aus dem Kindergarten ins Krankenhaus gebracht worden. Am 4. Mai starb es dort. Rechtsmediziner fanden Spuren, die auf Gewalteinwirkung hindeuteten.
Auch in weiteren drei Kitas in Kempen, Krefeld und Tönisvorst, in denen die Tatverdächtige zuvor gearbeitet hatte, gab es Notfälle und Notarzteinsätze. Keiner der Träger hatte das zuständige Landesjugendamt über die Vorkommnisse informiert.
Im August 2016 begann die 25-jährige Tatverdächtige zunächst ein Anerkennungsjahr in einer Einrichtung in Straelen, schloss dieses aber nicht ab. Das Arbeitsverhältnis wurde vorzeitig wegen „fehlender Arbeitsinitiative“ aufgelöst. Anschließend war die junge Frau 2017 ein halbes Jahr lang ehrenamtliche Mitarbeiterin in einer Einrichtung desselben Trägers, zu Auffälligkeiten oder Beschwerden soll es aber nicht gekommen sein.
Ermittlungen gegen Erzieherin sind noch nicht abgeschlossen
2018 endete die schulische Ausbildung zur Erzieherin am Berufskolleg in Kempen. Nach der offenbar gescheiterten praktischen Ausbildung in Straelen erhielt die Frau dann von Mitte 2017 bis Mitte 2018 eine Stelle im Anerkennungsjahr in einer Einrichtung der Stadt Krefeld. Laut Polizei bescheinigte die Krefelder Kita der Frau, nicht für den Beruf geeignet zu sein. Dennoch wurde sie zur Prüfung zugelassen und letztlich zur staatlich anerkannten Erzieherin.
Mit dieser abgeschlossenen Ausbildung bewarb sich die Frau aus Geldern dann bei der Stadt Kempen, wo sie bis Mitte 2019 ein Jahr lang in der Kita „Mullewapp“ arbeitete. Der Vertrag wurde seitens der Stadt nicht verlängert, man war auch hier mit den Arbeitsleistungen nicht zufrieden. Von Kempen aus wechselte sie in die St. Töniser „Biberburg“, überstand aber im Herbst 2019 die sechswöchige Probezeit nicht. Es folgte eine weitere Anstellung bei der Stadt Viersen, in der Kita, in der das dreijährige Mädchen zu Tode gekommen ist. Auch in Kempen musste ein zweijähriger Junge, der mit der Tatverdächtigen Kontakt hatte, viermal in der Viersener Kinderklinik behandelt werden. Ein Mädchen aus St. Tönis wurde ebenfalls verletzt. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach am Donnerstag sagte, sind die Ermittlungen gegen die Verdächtige noch nicht abgeschlossen.