Spannende Torhüter-Hierarchie Die zweite Garde braucht Geduld
Florian Kastenmeier ist Fortunas unbestrittener Stammtorhüter. Doch mit Karol Niemczycki ist nun eine Nummer zwei da, die ihm die dauerhafte Einsatzgarantie hier und da streitig machen könnte.
Noch hat Karol Niemczycki kein Pflichtspiel im Tor der Fortuna bestritten. Aber ein gutes Standing bei Mannschaft und Trainer scheint sich der gebürtiger Krakauer bereits erworben zu haben. Seit er im Juli vom polnischen Erstligisten KS Cracovia in die Landeshauptstadt kam, konnte Niemczycki im täglichen Training sowie im Testspiel gegen Fortuna Sittard seine Fähigkeiten bereits andeuten. Er hielt beim 1:0-Sieg seinen Kasten sauber und überzeugte dabei seinen Coach insbesondere mit starken Paraden im Eins-gegen-eins.
Für seinen Auftritt gegen den Verein aus der Eredivisie hatte sich der Mann mit dem für deutsche Zungen nicht so leicht auszusprechenden Nachnamen ein Lob des Trainers verdient. Denn mit dessen Leistung sei Daniel Thioune „ausgesprochen zufrieden“ gewesen. Ein Einsatz in der zweiten Runde im Pokal sei „sicher auch ein Thema“ laut Thioune. Allerdings mit einer Einschränkung: „Wenn wir wissen, gegen wen wir spielen.“ Denn ins ganz kalte Wasser will Fortunas Trainer den Neuen anscheinend nicht werfen. Es sollte schon ein passender Gegner für Niemczyckis Pflichtspieldebüt sein.
Bis dahin müsse er sich eben gedulden. Ein genereller Torwartwechsel sei „nicht angestrebt“ und er werde auch „keine Spielzeit verschenken“, wurde Daniel Thioune deutlich und unterstrich damit seine vor der Saison für Florian Kastenmeier ausgesprochene Stammplatzgarantie. Das habe man bei Niemczyckis Wechsel deutlich kommuniziert. „Auch wenn es völlig klar ist, dass ein Spieler, der letztes Jahr im Tor in der polnischen Liga stand, unbedingt spielen will“, sagte Thioune. Schließlich gehöre es auch zu Niemczyckis Aufgabenprofil, Florian Kastenmeier „herauszufordern“.
Um seine Ambitionen unter Beweis zu stellen, bleibt dem 1,90 Meter großen Torwart somit zunächst das Training. Dort fällt neben seinen guten Reflexen insbesondere seine starke Kommunikation auf. Um in seinem Sechzehner ein babylonisches Sprachgewirr gar nicht erst aufkommen zu lassen, ruft er seinen Vorderleuten die Anweisungen bereits in einem ordentlichen Deutsch zu. Wenn es noch hapert, nutzt er sein gutes Englisch. Manchmal – um ganz sicherzugehen – brüllt der 24-Jährige seine Instruktionen sogar nacheinander in beiden Sprachen.
Niemczycki kann bei Bedarf
auf drei Sprachen zurückgreifen
Andre Hoffmann und Pressesprecher Tino Polster zeigten sich bereits beeindruckt von Niemczyckis lingualen Fertigkeiten. „Karol lernt eifrig und spricht bereits super Deutsch. Das muss dann aber auch ein Talent sein“, sagte Fortunas Kapitän. Außerdem sei der Pole laut Polster bereits „mehrfach im Mannschaftsbus mit dem Studium deutscher Sprachlehrbücher“ aufgefallen. Souverän im Umgang mit Fremdsprachen war Niemczycki bereits in der polnischen Extraklasa. Dort hatte er die Verteidiger sogar auf drei Sprachen dirigiert. Neben Polnisch und Englisch griff er auch auf Niederländisch zurück, welches er in seiner Zeit beim holländischen Zweitligisten NAC Breda lernte.
In einem vom polnischen Fußballverband PZPN geführten Interview nach dem gewonnenen Viertelfinale im heimischen Pokalwettbewerb der Saison 2021/22 sagte er: „Ich habe mich bereits daran gewöhnt, auf dem Feld die Sprachen zu wechseln. Das ist für mich kein großes Problem.“ Im Torwartspiel sei laut Niemczycki die Kommunikation sehr wichtig. „Gerade in so heißen Spielen wie hier im Pokal muss man seine Mannschaft oft anspornen. Vor allem muss man als Torwart auch dafür sorgen, dass jeder seinen Gegenspieler im Blick hat und gut verschiebt.“
Ob er seine neuen Vorderleute bei der Fortuna auch mal in der Liga anfeuern kann, bleibt jedenfalls abzuwarten. Sehr bald wird sich die Gelegenheit sicher nicht ergeben, denn Kastenmeier geht in seine vierte Saison als Nummer eins im Tor und gilt gerade wegen seinem Spiel mit dem Ball als einer der besten Torhüter der Zweiten Liga.
Es ist daher als großes Lob zu verstehen, wenn Thioune nach dem Testspiel über Niemczycki sagte: „Mit der Leistung gestern auch und den Trainingsleistungen sehe ich keinen großen Unterschied zwischen beiden Torhütern.“
Unter Cheftrainer Thioune
gelte das Leistungsprinzip
Mit seinen Paraden verhinderte Kastenmeier durchschnittlich 0,4 statistisch erwartete Tore pro Spiel, was der drittbeste Wert der gesamten Liga ist. Trotzdem wäre aber wohl sein Stammplatz nach einem Ausfall nicht gesetzt.
Thioune ließ zumindest mit Blick auf Niemczycki durchscheinen: „Wenn er dann irgendwann im Tor steht und Florian vertritt, dann muss man sich auch Gedanken machen, wie es danach weitergeht. Am Ende des Tages kann nun mal nur einer von beiden spielen.“
Letztendlich gelte unter Thioune aber nur das Leistungsprinzip. „Und da können wir Florian aktuell nicht so viel vorwerfen.“ Das müsse Niemczycki als zweiter Torhüter „auch mal schlucken. Aber ich glaube, dass er seine Situation sehr gut einzuschätzen weiß“.
In seinem ersten Fortuna-Interview ließ sich Niemczycki daher auch keine Kampfansage an den selbstbewussten Kastenmeier entlocken. Lieber sprach er davon, dass der Verein in die Bundesliga gehöre und er mithelfen wolle, dieses Ziel zu erreichen.
Außerdem freue er sich „auf die vielen Fans im Stadion“. Ob diese bald auch mal statt „Kaste“ seinen Namen rufen? Für den Fall der Fälle können die Fortunen zumindest schon mal ihre Zungenfertigkeit üben. Der Name spricht sich Karol Ni-em-tschit-ski.