Dramatische Einsätze So war die Gedenkstunde für Flutopfer im Düsseldorfer Landtag
Düsseldorf · Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nennt die Flutkatastrophe eine „Heimsuchung“. Die Helfer erzählen von ihrem dramatischen Einsatz. Untersuchungsausschuss des Landtags soll das Geschehen aufklären.
Auf den Sesseln, wo sonst im Landtag der Ministerpräsident und ein Teil seiner Regierung sitzen, haben an diesem Morgen Helfer Platz genommen. Menschen, die nach der Flutkatastrophe Mitte Juli den Opfern beigestanden haben. Auch wenn sie für manche nichts mehr tun konnten.
Am Mittwoch gedachte der Landtag der 57 Todesopfer (49 aus NRW, 8 aus Rheinland-Pfalz) und der unzähligen Menschen, die verletzt wurden, ihr Hab und Gut, ihr Haus oder auch ihre berufliche Existenz verloren.
Der Plenarsaal sieht anders aus als sonst. Auf einem Tisch sind Kerzen und weiße Blumen für die Opfer der Flut aufgestellt. Ein Flügel steht da, getragene Klavier- und Violinenmusik gibt es zwischen den Gedenkreden. Und hinter der Rednertribüne findet sich eine große Videoleinwand.
Ein kurzer, aber eindringlicher Film wird gezeigt. Überlebende der Flut und auch eben jene Helfer kommen zu Wort und erzählen, was sie erlebt haben. Sie sprechen von ihrer Hilflosigkeit in den Momenten, in denen sie an ihre Grenzen kamen. Aber auch von der Dankbarkeit der Menschen. Eine Helferin erzählt, wie sie einem Flutopfer gebrauchte Schuhe gab und zwei paar Socken. Die Frau sei vor Dankbarkeit in Tränen ausgebrochen und ihr um den Hals gefallen. Eine andere berichtet, wie sie sich mit jemandem darüber unterhalten habe, dass all ihre Bücher vernichtet seien. Zwei Tage später hätten Michael Endes „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ vor ihrer Haustür gelegen.
Kleine Lichtblicke angesichts der grausigen Konsequenzen der „größten Naturkatastrophe, die Nordrhein-Westfalen je erlebt hat“, wie Ministerpräsident Armin Laschet später sagen wird. Doch vor ihm tritt Nicole Didion ans Rednerpult. Die Leitende Notärztin im Katastrophengebiet erzählt von Menschen, die eine Nacht auf ihren Dachböden oder Dächern verbrachten, um sich vor den Fluten zu retten. Von Menschen, die im Schlaf überrascht wurden. Sie sagt: „Die Bilder im Fernsehen zu sehen, das hat mich betroffen gemacht. Aber ich war nicht annähernd darauf vorbereitet, was mich dann vor Ort erwartete.“ Verletzte, denen wegen der zerstörten Infrastruktur nur sehr schwer zu helfen war. „Wir haben erlebt, wie Menschen bis zur völligen Erschöpfung versucht haben, zu retten, was noch zu retten ist. Wir sahen Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit.“ Aber die Ärztin spricht auch von der Dankbarkeit der Menschen für die Hilfe von außen. Die Anwesenheit so vieler freiwilliger Helfer habe die Opfer in ihrem Mut bestärkt, nicht aufzugeben.
„Wir sind es den Opfern schuldig, den Wiederaufbau voranzutreiben.“, sichert auch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zu. „Auch wenn die Scheinwerfer weg sind, auch wenn keiner mehr berichtet, müssen wir uns selbst verpflichten, uns weiter zu kümmern.“ Es gelte Lehren zu ziehen aus dieser, wie Laschet es nennt, „Heimsuchung“, die „prägend bleiben wird in unserem geschichtlichen Bewusstsein“. „Wir müssen besser werden im Warnen“, so Laschet. Man wisse, dass Unwetterereignisse wie Starkregen und Dürre die Folgen des Klimawandels seien. Solche Ereignisse würden in den kommenden Jahren „aller Voraussicht nach weiter zunehmen“. Auch die Stadt New York sei ja gerade erst von einer Sturzflut betroffen gewesen. „Solche Fluten können jeden Ort treffen“, sagt der Ministerpräsident. Darum komme auch der Anpassung an die Folgen des Klimawandels eine besondere Bedeutung zu.
Nur eine Stunde nach dem feierlichen Gedenken gab es im Landtag eine aufgeheizte Debatte über Verantwortlichkeiten. Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionschef im Landtag beklagte, man habe der schwarz-gelben Landesregierung acht Wochen lang Zeit gegeben, für Aufklärung zu sorgen. Man habe aber unter anderem auf schriftliche Fragen keine Antwort bekommen.
Daher habe die SPD-Fraktion nunmehr beschlossen, mit den Grünen mit einem gemeinsamen Antrag für die Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu stimmen.