Handwerkermangel: Öffentliche Aufträge werden teurer
Egal ob Kanalsanierung oder Arbeiten im Jugendzentrum: Einige NRW-Städte haben immer größere Probleme, Handwerker für ihre öffentlichen Aufträge zu finden. Das Handwerk hingegen ringt um Nachwuchs.
Düsseldorf. Obwohl die Hochkonjunktur dem Handwerk viele Aufträge und gutes Geld beschert, fehlt es der Branche schon lange an Nachwuchs. „Mitarbeiter gesucht - das steht heute wieder auf jedem Handwerkerwagen drauf“, sagt Reiner Nolten, Hauptgeschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertages. Dieser Fachkräftemangel trifft vor allem die Kommunen: In einigen nordrhein-westfälischen Städten bleiben öffentliche Aufträge liegen oder drohen, teurer zu werden, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.
In Städten wie Essen, Bielefeld, Bonn oder Aachen gingen auf Ausschreibungen zunehmend wenige, gar keine oder sehr teure Angebote ein, wie die Städte mitteilten. In Dortmund mussten zuletzt jährlich rund 100 Bauvorhaben aufgehoben und neu ausgeschrieben werden.
Die Städte beklagen auch, dass die wenigen Angebote, die eingehen, oft sehr teuer sind. In Essen etwa lag für eine millionenteure Kanalsanierung in der ersten Runde kein Angebot vor, in der zweiten drei. Die Kosten stiegen allerdings um rund 15 Prozent. Für Holzarbeiten in einem Jugendzentrum in Bonn ging nur ein Angebot ein, das 22 Prozent über den geschätzten Kosten lag.
„Der Handwerkermangel ist allgegenwertig“, sagt Regionalreferentin Cora Ehlert vom Städte- und Gemeindebund NRW. Vor allem Schulen und andere Bildungseinrichtungen seien betroffen, sagt ihr Kollege, Schulreferent Jan Fallack. Verschärfend käme eine gestiegene Nachfrage der Kommunen hinzu, weil momentan viele Fördergelder zur Verfügung stünden. Die ohnehin schwierige Lage „wird nochmals angespannter“, sagt Fallack.
Das Problem: Bei vollen Auftragsbüchern und fehlenden Mitarbeitern entscheiden sich Betriebe eher für private Aufträge, statt an aufwendigen öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Der Städte- und Gemeindebund fordert deshalb einfachere Vergabeverfahren. Nolten vom Handwerkskammertag sagt, dass nicht das Vergaberecht, sondern zusätzliche kommunale Vorgaben die Prozedur erschwerten. Im Sauerland sollte ein Maler einmal für einen Auftrag von 350 Euro 20 Seiten ausfüllen, erzählt Nolten. „Wer tut das? Das wäre ein Verlust nach der ersten Seite.“ Zudem bezahlten viele Kommunen erst nach Wochen - ein Problem für kleinere Betriebe: „Die Leute wollen monatlich ihr Geld.“
Um wieder mehr öffentliche Aufträge an den Handwerker zu bringen, müssten Städte und Kommunen schneller zahlen, fordert er - und zudem ihre Bauvorhaben gestückelt anbieten. Das heißt einen Auftrag für den, der mauere, einen anderen für den, der die Fenster streiche. „Alles aus einer Hand - das können die vielen kleineren Betriebe nicht.“ Nolten gibt aber auch Entwarnung: „Die Aufträge werden abgearbeitet - im Moment nur leider mit gewissen Wartezeiten.“
Auch Dachdeckermeister Olaf Grau aus der Nähe von Düsseldorf zieht private Aufträge bei Engpässen vor. „Das Geld fließt sofort“, sagt er. Dieses Jahr hat der Vorsitzende des Handwerkerkreises Erkrath bereits zum zweiten Mal keinen Auszubildenden gefunden. Warum kommen die jungen Leute nicht? Geburtsschwache Jahrgänge, Akademisierung, fehlende Förderung in Schulen oder die Großindustrie, die Anwärter rausgreife, meint Grau. „Der Trend bei der Jugend insgesamt geht im Moment am Handwerk vorbei.“ Bei vielen herrsche die Meinung: „Handwerk ist eine schmutzige Angelegenheit.“ dpa