Stadt-Teilchen: Die einst originelle Stiefschwester der Kö ist verschnarcht
Gerade bekam ich eine Einladung zum Schlafen - in ein Sleep Spa. Mitten in Düsseldorf. In ein Bettenhaus an der Berliner Allee. Und, wieso Spa? Steht doch für sanus per aquam, so viel wie Wohlfühlen mit, im Wasser.
Etwa Werbung für Wasserbetten? Die sind doch ganz aus der Mode. Oder vielleicht so eine Art Tagtraum?
Schön wär’s. Aber es geht um ein trockenes Thema, das viele angeht: Gesunder Schlaf. Versprochen in einem möglichst dicken, neuen Bett als Rückzugs- und Erholungsort im eigenen Heim. Empfohlen von einer schwedischen Marke, die sich seit dem 19. Jahrhundert mit Schlafkultur beschäftigt, seit -zig Jahren blau-weiß kariert. So ist auch das lebensgroße Pferd im Schaufenster gemustert. Vielleicht ein Hinweis auf Rosshaar, das früher in Matratzen verarbeitet wurde.
"Wer zuerst kommt, schläft am besten“, empfehlen die Sleep-Spa-Manager. Damit sind sie beileibe nicht die einzigen auf Düsseldorfs Betten-Meile, die sich in den letzten Jahren quasi im Schlaf entwickelt hat. Wenn man mal einen anderen Grund hat, auf der Berliner Allee unterwegs zu sein als einen Besuch des neuen Super-Super-Marktes Zurheide, nimmt man in den Augenwinkeln ein Bettengeschäft nach dem anderen wahr.
Das fängt schon kurz hinter der Graf-Adolf-Straße an: Pillosophy. Ob ich da bei der Wahl eines neuen Bettes von stellungslosen Akademikern beraten werde, oder bekomme ich als Rabatt die Bettlektüre gleich dazu gepackt? Los ging es mit den billigen Fernreisen. Da erlebte der deutsche Urlauber in den USA und anderswo plötzlich doppelt so dicken Schlafkomfort wie zu Hause. Das weckte Begierden. Man kannte zuvor solche Monster-Möbel ja nur aus dem Märchenbuch: Die Prinzessin auf der Erbse. Wie man sich bettet, so liegt Frau. Ich gehörte da eher zur Ikea-Generation: Schraubst Du noch, oder schläfst Du schon? Im-Bett-mit-Sultan war der pure Luxus nach dem Modell Matratze-auf-Euro-Paletten. Im Sleep Spa heißt das Dicke im Bett Marquis.
Wehe wer den Trend verpennt. So ein fettes Springbock-, pardon Boxspring-Bett ist inzwischen Statussymbol. Besonders für die Generation Rücken. Genau so wie Männer im Mittelalter eines Tages vom Porsche in den SUV wechseln, um besser einsteigen zu können, so schwingen sie sich jetzt auf ein mehrstöckiges Matratzenlager, um besser aussteigen zu können.
Da kommt schon das nächste Bettengeschäft auf der Berliner Allee: Schweizer, Testsieger 2016. Den Laden gibt’s auch auf Mallorca. Vielleicht bekommt man Rabatt, wenn man das Ferienlager für die Finca gleich mitbestellt. Schweizer Betten sind sicher teuer. Auf der anderen Straßenseite lockt ein Matratzen-Billiganbieter, der auch auf den Box-Trend aufgesprungen ist.
Gleich daneben ein Fachgeschäft für Rollos & Co, damit ich auch jederzeit die Jalousie runterlassen kann, wenn mich ein Schlafbedürfnis übermannt. Gähn. Gerade das kann auf der Berliner Allee leicht passieren. Die einst großzügig geplante Verkehrsachse, angelegt als Landesstraße 55, an der sich ursprünglich NRW-Ministerien ansiedeln sollten, wirkt heute weitestgehend verschnarcht.
Die letzten Jahre waren aber auch hart für die Stiefschwester der Kö. Sie war ja nie so schön wie die, doch im Alter hat sie weiter an Attraktivität und Originalität verloren, beispielsweise den Schwung des Tausendfüßlers oder den tropischen Flair durch Tita Gieses Gleisbett-Bepflanzung. Bei Maklern läuft das Einzelhandels-Sterbebett mitten in der Stadt nur noch als 2B-Lage.
Am Ende, kurz vor der Johanneskirche, stehe ich vor dem letzten Bettenlager der Berliner Allee: Ein Obdachloser hat es sich im Hausgang eines leer stehenden Eckladens eingerichtet - mehrlagig durchwühlt. Da wird die Berliner Allee endgültig zur Matratzengruft.